Etwas schüchtern lächelt der Junge im roten Polohemd in die Kamera, über den Schultern trägt er einen Rucksack. Carlo Acutis, der 2006 mit 15 Jahren an Leukämie starb, war ein ganz normaler Jugendlicher, "einer von uns", so die Botschaft der zahllosen Bilder, die von dem Italiener kursieren. Von der katholischen Kirche wird er demnächst zum Vorbild für Gläubige weltweit erhoben. Denn er war nicht nur fromm und wohltätig, sondern setzte sein Talent für den Glauben ein.
Die Heiligsprechung des "Internetapostels" und ersten Millennials in der langen Reihe der katholischen Heiligen war zunächst für den Sonntag nach Ostern (27. April) geplant. Doch dann starb Papst Franziskus wenige Tage zuvor; die große Feier wurde abgesagt und alles Weitere dem neuen Papst überlassen. Nun hat Leo XIV. entschieden: Der erste Heilige der "Generation Y" wird am 7. September "zur Ehre der Altäre" erhoben.
Hype mit ungewöhnlichen Zügen
Der Hype um Carlo Acutis nimmt schon länger ungewöhnliche Züge an - spätestens seit seiner Seligsprechung, die im Oktober 2020 in Assisi stattfand. Den gläsernen Sarg in der dortigen Kirche Santa Maria Maggiore, in dem der Junge in Trainingsjacke, Jeans und Turnschuhen zu sehen ist, besuchten im vergangenen Jahr eine Million Menschen. Zudem kann man den Glassarg in einem Livestream betrachten. In einer Kirche in Rom sind ein Splitter seines Betts, ein Stück eines Pullovers und des Lakens, mit dem er nach seinem Tod bedeckt war, ausgestellt.

Sein Herz, das in einem kostbaren Reliquienschrein aufbewahrt wird, ging 2024 auf Europatour. Auch im deutschsprachigen Raum kamen viele junge Menschen in die Kirchen, um sich mit dem Herz des "Cyberapostels" fotografieren zu lassen. Biografien, Filme und Dokus erzählen die Geschichte des Sohnes wohlhabender Eltern.
Zwei Wunder anerkannt
Was über ihn bekannt ist, stammt meist von seiner Mutter Antonia Salzano, die sich zusammen mit hochrangigen Geistlichen intensiv für die kirchliche Ehrung ihres Sohnes engagierte. Dazu hatte der Vatikan seine tugendhafte Lebensweise sowie zwei Wunder anerkannt: medizinisch unerklärliche Heilungen von zwei Menschen, die nach Überzeugung der Kirche auf die Fürsprache des Verstorbenen bei Gott erfolgten.
Schule, Freizeit, Sport: Carlo, der Junge, der Karate, Tennis, Skifahren geliebt haben soll. Und schon als kleines Kind habe er jeden Tag an einer Messe teilnehmen wollen, um mit Jesus vereint zu sein. Die Eucharistie sei seine "Autobahn zu Gott", lautet ein Zitat des Jungen. Mit seinem Taschengeld habe er Schlafsäcke und Essen für bedürftige Menschen gekauft. Seine Begeisterung für das Internet nutzte er für seine Heimatgemeinde in Mailand. Zudem erstellte er eine Sammlung mit 108 eucharistischen Wundern, die heute auf einer eigenen Website zu finden sind. Hier sehen Kritiker ein Problem.
Auf der "Liste der Eucharistischen Wunder in der Welt" sind hauptsächlich "Hostienwunder" verzeichnet, also Erscheinungen an geweihten Hostien, die vor allem ab dem 11. Jahrhundert auftauchen. Ein heikles Thema, denn mitunter ging solchen Wundern ein "Hostienfrevel" voraus - bei dem Juden als angebliche Täter beschuldigt wurden.
Kritik vom Antisemitismus-Beauftragten
Kritik an der katholischen Kirche kommt deshalb vom Beauftragten der deutschen Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein: "Ich bemängele, dass es bei dem Verfahren auf dem Weg zur Heiligsprechung keine Rolle gespielt zu haben scheint, dass einige der 'eucharistischen Wunder' zur Ermordung von Juden geführt haben", sagte Klein der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Einige der von Acutis aufgeführten Wunder hätten sich um Bluthostien gedreht, mit denen im historischen Kontext Ritualmordvorwürfe gegen Juden einhergegangen seien - "und damit verbunden auch tödliche Angriffe auf sie". Es sei "dringend geboten", dass dieser Aspekt von der katholischen Kirche nicht erst auf Nachfrage besprochen und aufgearbeitet werde, so Klein.
Mutter bei der Heiligsprechung dabei
Im Vatikan scheint die Kritik an den Plänen zur Heiligsprechung nichts geändert zu haben. Wenn sie nun am 7. September über die Bühne geht, wird die Mutter dabei sein, wenn ihr Kind zur Ehre der Altäre erhoben wird. So etwas kommt extrem selten vor, denn meist dauern solche Verfahren Jahrzehnte. Zuletzt war das vor fast genau 75 Jahren der Fall: Am 24. Juni 1950 wurde die Märtyrerin Maria Goretti (1890-1902) heiliggesprochen - im Beisein ihrer 85-jährigen Mutter Assunta Goretti.