Internationale Tourismusbörse stellt sich einem akuten Thema

Urlaub in Zeiten der Flucht?

Auf der Internationalen Tourismus Börse in Berlin gibt es derzeit nicht nur Prospekte mit Palmenstränden und blauem Himmel. Die Fachmesse nimmt verstärkt die Folgen von Krieg und Migration in den Blick.

Autor/in:
Thomas Klatt
Leuchtschrift auf der ITB / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Leuchtschrift auf der ITB / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Schon der Beginn der Veranstaltung über Migration und Sicherheit auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin hatte seine Schwierigkeiten. Zur Begrüßung sprach der Tourismusminister der Malediven, des diesjährigen Partnerlandes der ITB. Ein Staat, der wegen seiner instabilen Menschenrechtslage und mangelhafter Bekämpfung dschihadistischer Umtriebe in der Kritik steht. Darf man in solche wenig demokratisch verfassten Länder reisen, geschweige denn diese zu Partnerländern der weltgrößten Reisemesse machen?

Ethisch korrekter Urlaub gefragt

Schon diese Diskussion zeigt, dass die jahrzehntelang gestellten kritischen Anfragen und Informationsveranstaltungen kirchennaher Organisationen wie "Tourism Watch" oder des "Studienkreises für Tourismus und Entwicklung" Früchte tragen. Immer mehr zahlungskräftige Bürger wollen einen ethisch korrekten Urlaub machen.

Nur, wohin kann man dann noch reisen, zumal in Zeiten von Kriegen und wachsenden Flüchtlingsbewegungen?

Andere Stimmung auf der ITB

So nehmen Messebesucher in diesem Jahr eine andere Stimmung auf der ITB wahr. Jahrelang waren gerade die Deutschen als Touristen in die Länder gefahren, aus denen nun die meisten Flüchtlinge kommen. Wo also ist die Leichtigkeit und Unbeschwertheit hin, auch wenn man genug Geld und den richtigen Reisepass hat, fragte Moderator Andreas Stopp, im Deutschlandfunk verantwortlicher Redakteur für das Reise-Wochenendjournal. Denn die blutigen Anschläge der vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass es sichere Reiseländer gar nicht mehr gebe, so Jasmin Taylor, geschäftsführende Gesellschafterin der von ihr gegründeten JT Touristik GmbH. 

"Nach dem letzten Anschlag in Istanbul herrschte erst mal Totenstille. Es kamen kaum Buchungen rein. Aber die Leute sind da relativ entspannt. Wenn jemand eine Pauschalreise gebucht hat, dann ist der Reiseveranstalter bei Terrorakten zur Stornierung oder Umbuchung verpflichtet", berichtete die Tourismusunternehmerin, die als 17-Jährige aus dem Iran mit ihren Eltern nach Deutschland flüchtete.

Vor zwei Jahren gründete Taylor die SIS-Flüchtlingsinitiative (Strong Independent Sisters), um geflüchteten Frauen in Deutschland eine bessere Integration zu ermöglichen, durch Vermittlung von Sprachkursen oder Berufspraktika. Für sie ist dies auch eine Investition in die Zukunft ihrer Branche. "Die Länder, aus denen vor Jahrzehnten die Gastarbeiter zu uns kamen, Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, sind zu beliebten Urlaubsländern der Deutschen geworden. Vielleicht ist es in 20 bis 30 Jahren auch mit Syrien und dem Irak so", spekulierte Taylor.

Pater Pflüger mahnt Vorbildrolle Deutschlands als Aufnahmeland an

Bis dahin sollte Deutschland weiter eine vorbildliche Rolle als Aufnahmeland für Flüchtlinge spielen, mahnte Pater Frido Pflüger, Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Deutschland. "Wir können nicht nur Integration fordern, sondern wir müssen sie den Flüchtlingen auch anbieten. Menschen fragen nach unseren Werten, und wir haben darüber noch nie nachgedacht oder darüber debattiert", kritisierte Pflüger.

Der ehemalige Lehrer war ab 2003 mehrere Jahre für Flüchtlingsschulen in Uganda zuständig. Da hätte er sich mehr Interesse und Anteilnahme der Pauschalreisenden gewünscht. "Ich habe es oft als seltsam erlebt, in Entwicklungsländern mit Touristen in Kontakt zu kommen. Sie wissen nichts und wollen auch nichts wissen. Hauptsache, es ist schön und das Bier ist kalt. Sie hocken dann am Viktoria-See in eingezäunten Resorts auf europäisch-westlichem Niveau", erinnerte sich Pflüger.

Besonders beeindruckte den Jesuiten der Versöhnungswille in den afrikanischen Dörfern und Stammesgemeinschaften. Ehemalige Kindersoldaten seien wieder aufgenommen worden, obwohl sie einst im Bürgerkrieg gemordet hatten, um so den Weg für einen neuen Frieden zu ebnen. Das könne sich auch Europa zum Vorbild nehmen, empfahl der Jesuit.


Quelle:
KNA