Internationale Konferenz zum Thema sexueller Missbrauch durch Kleriker

Hochrangiges Treffen

In Rom beginnt heute eine internationale Konferenz zum Thema sexueller Missbrauch durch katholische Kleriker. An dem von der Päpstlichen Gregoriana-Universität organisierten Treffen unter dem Leitwort " Auf dem Weg zur Heilung und Erneuerung"
nehmen Bischöfe von 110 nationalen Bischofskonferenzen sowie 30 Ordensobere teil. Aus Deutschland sind der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, und der Münchener Kardinal Reinhard Marx angereist.

 (DR)

Es ist eine Szene, die mehr sagt als viele Worte: Rund 100 Bischöfe aus der ganzen Welt werden am Montag den Bericht einer Frau hören, die als Kind von einem Priester sexuell missbraucht wurde.

Augenfälliger könnte die gewachsene Sensibilität in der katholischen Kirche nach den Skandalen in den USA, Irland, Deutschland und anderen Ländern kaum sein. Die Schilderungen der Irin eröffnen eine internationale Konferenz über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche, die vom 6. bis 9. Februar in Rom stattfindet. Veranstalter ist die von Jesuiten geführte Gregoriana-Universität. Unterstützt wird die Tagung vom Erzbistum München, anderen Diözesen und einigen deutschen Hilfswerken.



"Wir wollen, dass den Opfern eine Stimme gegeben wird", sagte Hans Zollner, Psychologieprofessor an der Gregoriana und Mitorganisator der Konferenz mit dem Titel "Auf dem Weg zu Heilung und Erneuerung". Die Kirche dürfe nicht einfach abwarten, wenn es um Vorbeugung gegen sexuellen Missbrauchs geht, sondern müsse selbst aktiv werden, betonte Zollner. Eine wichtige Aufgabe sei es, den Opfern zuzuhören und ihnen Psychotherapie oder andere Hilfsmaßnahmen anzubieten. Mit einer materiellen Entschädigung erkenne die Kirche zudem öffentlich ihre Verantwortung für Vergehen ihrer Mitarbeiter an.



Jeden Fall überprüfen

Zollner wandte sich dagegen, alle Kinderschänder prinzipiell aus dem Priesterstand entlassen. Jeder Fall sollte eigens überprüft werden. Manche Täter seien unheilbar, hätten keinerlei Sensibilität gegenüber den Opfern, seien nicht gereift; man müsse zusehen, wie man sie am besten kontrollieren könne. Ein Ausschluss aus dem geistlichen Stand bedeute freilich, dass sie nicht mehr kontrollierbar wären und die Taten sich wiederholen könnten, gab der Jesuit zu bedenken. Die Kirche sei auch eine "Gemeinschaft der Sünder"; sie dürfe die Schuldigen nicht einfach wegjagen, sondern müsse ihren eine mögliche Therapie anbieten. Bei manchen habe dies Erfolg, bei anderen weniger.



Fälle von Pädophilie und Kindesmissbrauch seien nach einem Höchststand in den 1970er und 1980er Jahren statistisch wieder zurückgegangen, sagte Zollner im Gespräch mit "Radio Vatikan". Das gelte für Nordamerika und Westeuropa. Sichere Statistiken gebe es jedoch für kein Land, da den Kindesmissbrauch, der sich in sehr vielen Fällen in der Familie ereigne, eine "Mauer des Schweigens" umgebe, so Zollner.



Die Resonanz auf die Tagung ist außergewöhnlich: Nahezu alle nationalen Bischofskonferenzen entsenden einen bischöflichen Vertreter zu der Tagung, zumeist den jeweiligen Missbrauchsbeauftragten. Hinzu kommen Obere katholischer Orden sowie Fachleute, etwa Psychologen und Kirchenrechtler. Insgesamt nehmen rund 220 Personen an der Tagung teil. Aus Deutschland reisen der zuständige Trierer Bischof Stephan Ackermann sowie der Münchener Kardinal Reinhard Marx an.



Verbesserung der Prävention

"Der Kongress zeigt, dass sich die katholische Kirche dem Thema auf gesamtkirchlicher Ebene stellt und ihre Anstrengungen gegen sexuellen Missbrauch über rechtliche Normen hinaus weiter verstärkt", sagte Bischof Ackermann. Er erhoffe sich einen breiten Austausch von Erfahrungen, die in den unterschiedlichen Kulturen und Ortskirchen gemacht werden. "Hier gilt es, voneinander zu lernen mit dem ganz klaren Ziel, Aufarbeitung und Prävention weiter zu verbessern." Das große Ziel könnte so etwas wie "weltkirchliche Standards" im Umgang mit der Thematik sein, so Ackermann.



Die deutschen Bischöfe haben im Jahr 2002 eigene Richtlinien für Ahndung und Vorbeugung sexuellen Missbrauchs veröffentlicht und diese 2010 überarbeitet. Doch längst nicht alle Bischofskonferenzen haben bislang eigene Vorgaben erlassen. Für die Bischöfe dieser Länder bietet die Tagung die Möglichkeit, sich Anregungen und Hilfestellungen für ein solches Regelwerk geben zu lassen.



Denn bis zum Mai dieses Jahres müssen alle Bischofskonferenzen eigene Richtlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch veröffentlicht haben. Diese Frist hatte die vatikanische Glaubenskongregation in einem Rundschreiben im vergangenen Mai gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt waren jene Ortskirchen, die eigene Vorgaben veröffentlicht hatten, noch die Ausnahme. Nicht nur in Afrika und Asien gibt es auf diesem Feld noch einiges zu tun, auch die Italienische Bischofskonferenz hat bislang noch keine Richtlinien veröffentlicht.



Aus dem Vatikan hat sich hoher Besuch zur Konferenz angesagt: Der Leiter der Glaubenskongregation, Kardinal William Joseph Levada, spricht zu den Teilnehmern über Maßnahmen zur Vorbeugung und Ahndung von sexuellem Missbrauch. Seiner Behörde müssen alle Missbrauchsfälle der Weltkirche gemeldet werden. Die Berichte gehen über den Schreibtisch des "Chefanklägers" der Glaubenskongregation, Charles Scicluna; auch er trägt auf der Konferenz vor.



Informationen für die Weltkirche

Die Ergebnisse der Tagung sollen in ein Internetportal einfließen, das in Zukunft für die ganze Weltkirche Informationen über den Umgang mit Missbrauchsfällen bereitstellen soll. Die auf drei Jahre angelegte Entwicklung dieses "Zentrums für Kinderschutz" der Gregoriana (elearning-childprotection.com) wird in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Ulm durchgeführt.



Papst Benedikt XVI. hat die Missbrauchsfälle als "offene Wunde der Kirche" bezeichnet. Ganz ausrotten könne auch die beste Prävention sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche wie in der Gesellschaft insgesamt nicht, sagt Zollner. "Aber wir wollen mit der Konferenz einen Beitrag dazu leisten, dass diese "offene Wunde" besser und schneller heilen kann".