Integrationsministerin Böhmer zu Besuch in der Türkei

Weinende Bräute - Lachende Bräute

Die für Integration zuständige Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Prof. Dr. Maria Böhmer, hat während ihrer Türkei-Reise das neue Zuwanderungsgesetz verteidigt. Das Gesetz sei eine Hilfe, keine Hürde für die Integration, betonte Böhmer am Freitag in Istanbul. Der Unmut am Zuwanderungsgesetz, den auch türkische Verbände in Deutschland mit ihrem Boykott am Integrationsgipfel zum Ausdruck gebracht hatten, war einer der Gründe, weshalb Böhmer am Mittwoch nach Ankara zu Begegnungen mit Regierungsvertretern und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gekommen war.

Autor/in:
Christoph Scholz
 (DR)

"Die Ministerin, die die Bräute weinen lässt." Der Empfang des türkische Massenblattes "Hürriyet" war nicht gerade das, was man herzlich nennt. Allerdings war die Beauftragte der Bundesregierung für Integration, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), bei ihrem dreitägige Türkeibesuch auf Kritik gefasst.  

Böhmer fasste die Gesprächsatmosphäre in den Dreiklang "offen, freundschaftlich und konstruktiv" zusammen. Offen bedeutete dabei vor allem, dass sich der Verdruss über die Zuwanderungsregelungen am Bosporus noch nicht gelegt hat. So stellte der für die im Ausland lebenden Türken zuständige Minister, Mustafa Said Yazicioglu, dem Vernehmen nach ohne große Umschweife diverse Forderungen. Im Mittelpunkt stand wie bei anderen Begegnungen die Frage des Familiennachzugs, besonders der seit August verpflichtende Spracherwerb im Heimatland. Arbeitsminister Mustafa Faruk Celik sprach offen von Diskriminierung. Und Ministerpräsident Erdogan wurde mit dem Vorwurf zitiert, das Gesetz verstoße gegen die Menschenrechte.

Dass der deutsche Staat den Spracherwerb nicht von US-Amerikanern oder Israelis verlangt, empfinden viele Türken als ungerecht. Neben Erläuterungen zur deutschen Rechtslage war Böhmer um atmosphärische Entspannung bemüht. Sie machte vor allem einige Verbände in Deutschland für den Unmut und ein "einseitiges" Verständnis der neuen Bestimmungen verantwortlich. "Wir wollen, dass in Deutschland keine Braut weinen muss, weil sie sich fremd fühlt und nicht verständigen kann; statt dessen wollen wir, dass sie glücklich ist, weil sie sich mit einem Mindestmaß an Sprachkenntnissen selbst um die Anliegen ihrer Familie kümmern kann", so Böhmer.

Tränen gibt es dennoch. Jedenfalls ab und an bei der Hotline des Goethe-Instituts in Ankara, die über Deutschkurse informiert. Mancher Anrufer sieht sich vor unüberwindbare Hürden gestellt. Dennoch hält Instituts-Leiterin Sabine Hagemann-Ünlüsoy die Sprachvermittlung in der Heimat für einen wichtigen Baustein zur Integration. Der Enthusiasmus der meisten Teilnehmer sei groß.

Ein Eindruck, der sich bei einem Kurzbesuch der Delegation bestätigte. Die Bundestagsabgeordneten Petra Merkel (SPD) und Kristina Köhler (CDU) waren so beeindruckt vom Fleiß der Schüler, dass sie die Gruppe nach erfolgreichem Abschluss zum Erfahrungsaustausch kurzerhand in den Bundestag einluden.

Aufgrund der hohen Nachfrage - davon 40 Prozent Männer - will Hagemann-Ünlüsoy systematisch Sprachlehrer in der ganzen Türkei weiterbilden. Für die verlangten 630 Wörter veranschlagen die Lehrer im Goethe-Institut drei Monate bei einer Erfolgsquote von 80 Prozent. Ein bislang noch ungelöstes Problem stellt allerdings die hohe Zahl von Analphabeten gerade unter Frauen im ländlichen Raum dar. Hier setzt man auf die Zusammenarbeit mit den rund 900 einheimischen Volkshochschulen.

Bei aller Kritik boten aber auch die Regierungsvertreter ihre Zusammenarbeit bei der Umsetzung des Nationalen Integrationsplans in Deutschland an. Ministerpräsident Erdogan versprach unter anderem, bei der Ausbildung muslimischer Religionslehrer zu helfen. Und Arbeitsminister Celik will die Sozialattaches an den türkischen Niederlassungen in den Dienst der Integration stellen.

Der Integrationsbedarf für Türken in Deutschland ist auf beiden Seiten unstrittig. Für die Frage, wie genau darauf zu antworten ist, gilt dies noch nicht in gleichem Maße.