Integrationsgipfel unter schlechtem Stern - Bundesregierung weist Kritik am Zuwanderungsgesetz zurück

"Reine Showveranstaltung"?

Unmittelbar vor der geplanten Verabschiedung des neuen Zuwanderungsgesetzes am Freitag im Bundesrat haben Verbände das Regelwerk erneut scharf kritisiert. Der Koordinationsrat der Muslime erklärte, die Neuregelungen seien weder verfassungskonform noch gebe es überhaupt einen Regelungsbedarf. Die DITIB überlegt die Teilnahme am Integrationsgipfel in der kommenden Woche abzusagen. Das Bundesinnenministerium wies die Kritik zurück. Ein Interview mit der SPD-Integrationsexpertin Lale Akgün über die Hintergründe der Vorwürfe.

 (DR)

Der DITIB-Dialogbeauftragte Bekir Alboga hatte am Dienstag den Zweck des Gipfels in Frage gestellt: "Ich sehe keinen Sinn mehr darin, am Nationalen Integrationsgipfel teilzunehmen, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt". Es hänge "allein von den Verantwortlichen" ab, ob sich die DITIB weiter an dem Gipfel beteilige. "Wenn wir in den Integrationsprozess nicht eingebunden werden, dann lohnt es sich nicht, in diesen Gremien der Bundesregierung über Probleme zu sprechen, weil wir bei den Entscheidungsfindungen nicht berücksichtigt werden", erklärte Alboga.

Die DITIB forderte, das Zuwanderungsgesetz müsse "von Neuem mit Migrantenorganisationen und Experten überdacht und überarbeitet werden". Der Integrationsgipfel hatte im vergangenen Sommer erstmals stattgefunden. Am 12. Juli will Merkel erneut dazu ins Kanzleramt einladen. Dann soll der "Nationale Integrationsplan" vorgestellt werden. Er soll unter anderem Vorschläge für bessere Integrationskurse und Sprachförderung machen.

Aufruf zur Teilnahme
Die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) rief derweil die türkischen Organisationen zur Teilnahme am Integrationsgipfel auf. Böhmer sagte, die Organisationen der türkischen Zuwanderer hätten jahrelang dafür gekämpft, von der Bundesregierung als gleichberechtigte Partner am Prozess der Integration beteiligt zu werden. Es sei im Interesse der 2,5 Millionen türkischstämmigen Migranten, dass sie über ihre Verbände auch am zweiten Integrationsgipfel teilnehmen.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums nannte es "schlicht polemisch und falsch" zu sagen, einzelne Passagen des geplanten Gesetzespakets seien auf Ausgrenzung angelegt. Der Gesetzgebung sei eine breite öffentliche Diskussion vorangegangen. Mit Blick auf die Drohung des DITIB-Dialogbeauftragten Bekir Alboga, nicht am Integrationsgipfel im Bundeskanzleramt am 12. Juli teilzunehmen, sagte der Sprecher: "Integration funktioniert nur mit Teilnahme, nicht mit Wegbleiben."

Der DITIB-Kritik hatte sich am Mittwoch auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, angeschlossen. Auch dort werde diskutiert, ob eine Teilnahme am Gipfel noch sinnvoll sei, hieß es.

Der Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen, nannte den Integrationsgipfel im "Rheinischen Merkur" (Donnerstagsausgabe) eine "reine Showveranstaltung". Der Gipfel habe die Erwartungen nicht erfüllt. Die Regierung rede über Integration und verschärfe zugleich das Zuwanderungsgesetz, kritisierte Sen.

Kritik üben die Verbände vor allem an den geplanten Verschärfungen des Staatsangehörigkeitsrechts sowie den Neuregelungen zum Familiennachzug, die einfache Deutschkenntnisse von Angehörigen vor der Einreise verlangen.

Die SPD-Integrationsexpertin Lale Akgün sagte im domradio, sie habe bereits beim ersten Integrationsgipfel vor zu viel Begeisterung gewarnt. Wenn DITIB jetzt aber dem Gipfel fernbleibe, ändere das am neuen Zuwanderungsgesetz nichts.

Führende Länderminister bemängelten unterdessen im "Rheinischen Merkur", dass die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) die umfangreichen Ausarbeitungen der Arbeitsgruppen zum Bestandteil des "Nationalen Integrationsplans" machen wolle. Der Plan soll auf dem Gipfel am 12. Juli vorgestellt werden. Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) mahnte zu konkreten Ergebnissen. Aus den vorliegenden 265 Seiten müssten die wichtigsten Punkte herausgearbeitet werden. Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) sagte der Zeitung, manche der Forderungen aus den Arbeitsgruppen seien nicht umsetzbar.