Influencerin will jüdisches Leben für alle alltäglich machen

Jüdischsein ist nichts exotisches

Das Pessach-Fest beginnt dieses Jahr am 5. April und dauert eine Woche. Über jüdische Traditionen und Feste, aber vielmehr über den Alltag einer Jüdin, erzählt die Influencerin Tanya Raab auf Instagram.

Die Juden feiern Pessach (KNA)
Die Juden feiern Pessach / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie wollen mit Ihrem Kanal ganz deutlich zeigen, dass das jüdische Leben auch außerhalb der eigenen vier Wände stattfinden darf. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie da?

Tanya Raab, jüdische Influencerin auf Instagram (oy_jewish_mamma). / © Tanya Raab (privat)
Tanya Raab, jüdische Influencerin auf Instagram (oy_jewish_mamma). / © Tanya Raab ( privat )

Tanya Raab (Jüdische Influencerin, Instagram-Profil: oy_jewish_mamma): Zunächst einmal stehe ich da vor der Herausforderung, das jüdisches Leben in Deutschland einfach sehr wenig präsent ist und ich als jüdische Person immer wieder zu inneren Konflikten komme. Beispielsweise bei der Frage, ob es sicher für mich ist, eine Kippa zu tragen? Oder finde ich im nächsten Supermarkt überhaupt koscheres Essen oder in der Buchhandlung eine Grußkarte für das Chanukka Fest? Das sind ganz viele Bereiche.

DOMRADIO.DE: Sie haben vor kurzem einen Neustart auf Ihrem Profil auf Instagram gewagt. Ihr Motto: Mehr jüdischer Alltag, weniger "Erklärbär". Wieso dieser Fokuswechsel? Erklären ist doch für das Verständnis an sich wichtig.

Raab: Ja, das finde ich absolut. Ursprünglich habe ich auf meinem Account auch tatsächlich sehr viel aufgeklärt, sehr viele Informationen rausgegeben über jüdische Feste, über jüdische Bräuche. Aber ich bin dann in einen gewissen Konflikt mit mir selbst geraten. Ich bin selbst nicht religiös aufgewachsen, das heißt, ich habe mir alles irgendwie selber angeeignet und ich fühle mich nicht richtig qualifiziert dafür, über jüdische Tradition aufzuklären, als wäre ich eine Rabbinerin. Dazu fühle ich mich nicht richtig befugt.

Tanja Raab (Jüdische Influencerin)

"Außerdem finde ich es auch wichtig, jüdisches Leben nicht als etwas exotisches darzustellen und jüdisches Leben einfach im Alltag zu zeigen."

Außerdem finde ich es auch wichtig, jüdisches Leben nicht als etwas exotisches darzustellen und jüdisches Leben einfach im Alltag zu zeigen. Das liegt mir irgendwie näher, als das jüdische Leben herauszustellen und zu sagen, das ist was ganz Besonderes und irgendwie Fremdes für uns. Das gehört einfach zu unserer Kultur hier in Deutschland dazu.

Eine Frau mit Kippa / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Frau mit Kippa / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO: Es gibt ja auch christlichen Influencerinnen, die zeigen einfach ihren Alltag, zum Beispiel als Pfarrerin. Wie wollen Sie das in Zukunft angehen auf Instagram, mit Bildern, mit Stories und anderem?

Raab: Ja, ich habe beschlossen, dass ich tatsächlich in Postings eher meinen Alltag zeige, wie wir hier tatsächlich die Feste feiern, jüdische Tradition und den jüdischen Alltag leben. Aber nicht nur das jüdische Leben möchte ich zeigen, denn ich bin ja nicht nur Jüdin, ich habe auch ganz viele andere Facetten. Das möchte ich dann auch reinbringen. In den Stories wird wahrscheinlich immer mal wieder was auch mit Erklärungen kommen. Vieles wird vielleicht nicht ganz nachvollziehbar sein, aber das wird seltener sein als vorher.

DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie gerade schon ein wichtiges Stichwort gesagt, wie wir zum Beispiel Feste feiern. Heute (Mittwoch) Abend beginnt das jüdische Pessachfest. Das dauert sieben oder acht Tage an. Für diese Zeit gibt es bestimmte Regeln, die manche Juden und Jüdinnen auch sehr streng befolgen, andere nicht, so wie es bei vielen Religionen der Fall ist. Wie halten Sie es damit und wie nehmen Sie Ihre Follower in dieser Zeit mit?

Zutaten für das Pessachfest: Koscherer Wein und Matzen / © Harald Oppitz (KNA)
Zutaten für das Pessachfest: Koscherer Wein und Matzen / © Harald Oppitz ( KNA )

Raab: Wir befolgen diese Regeln tatsächlich nicht ganz so streng. Das ist ganz unterschiedlich. Ich kenne sehr viele liberale Jüdinnen und Juden, die liberal sind, so wie ich, aber trotzdem die Regeln viel strenger befolgen. Das würde bei mir vermutlich gar nicht funktionieren, weil ich nicht in einem reinen jüdischen Haushalt lebe, sondern mein Partner Atheist ist und ich ihn da nicht komplett mitnehmen kann. Ich könnte hier jetzt schwer das ganze Brot und alles verbrennen, weil das auch Sachen sind, die er isst.

DOMRADIO: Das wäre also nicht so einfach.

Raab: Das funktioniert gar nicht so einfach. Beispielsweise fahren wir über Ostern auch zu seiner Mutter und da werden wir nicht koscher essen, also nicht koscheres Pessachessen, sondern es wird auch Sachen geben, die für die Zeit eigentlich verboten wären.

DOMRADIO.DE: In der katholischen Kirche gibt es mittlerweile eine große Gruppe von Menschen, die sich geoutet haben. Sie sind Gott sei Dank auf viel Zuspruch und Solidarität gestoßen. Sie sind selbst queer und leben polyamor. Wie erleben Sie diese Themen im Judentum? Wie wird damit umgegangen?

Raab: Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass damit doch recht offen umgegangen wird. Ich habe selbst sehr viele queere, jüdische Freundinnen und Freunde. Polyamorie ist, glaube ich, noch ein Thema, was insgesamt ein gesellschaftlich sehr großes Tabu und auch in religiösen Gemeinschaften noch sehr unüblich ist. Aber ich habe da tatsächlich bisher sehr wenig negatives Feedback bekommen, eigentlich eher viel Zuspruch. Darüber war ich selbst erstaunt.

Das Interview führte Michelle Olion.

Pessach

Das jüdische Fest Pessach erinnert an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und an die Befreiung aus der Sklaverei. Im Gedenken an den Zug durch die Wüste wird während des achttägigen Festes ungesäuertes Brot gegessen. Zu Pessach soll alles auf Getreide basierende Gesäuerte weder gegessen werden noch im Haus sein.

Pessach in einer Familie  / © Harald Oppitz/KNA  (KNA)
Pessach in einer Familie / © Harald Oppitz/KNA ( KNA )
Quelle:
DR