Imre Makovecz wird 75 Jahre alt

Architektur als Abbild des Göttlichen

Imre Makovecz zählt zu den kreativsten Architekten der Gegenwart zählt. Von der Wetterstation bis zum Kulturzentrum, vom Hallenbad bis zur Hallenkirche: Auf den Betrachter wirkt Makovecz' Vielfalt ungewohnt und doch merkwürdig vertraut. Die geschwungenen Formen erinnern zuweilen an Antoni Gaudi.

 (DR)

Am Samstag wird er 75 Jahre alt. Das Credo des ungarischen Nonkonformisten: "Ich traue jenen Architekten nicht, die behaupten, ein Bauprogramm könne wie eine mathematische Funktion erlernt werden, und es genüge, seine Elemente richtig zusammenzufügen, um ein intelligentes und zeitgemäßes Haus zu bauen. Diese Architekten lügen oder haben keine Fantasie - jedenfalls sind sie keine richtigen Architekten."



Neben einer ganz außergewöhnlichen Optik besitzen seine Bauten eine visionäre Kraft, die aus der Tiefe der europäischen Volkskunst und der Fülle der Natur schöpft. In der Welt entdeckt er "ein Abbild des Göttlichen". Makovecz schafft daraus eine organische Architektur, die ganz für den Menschen und seine geistigen Bedürfnisse entworfen ist. Er sucht nach baulichen Metaphern, um das Geistige sichtbar zu machen. Dabei nutzt er nicht nur Motive des Christentums und der Volksreligion, sondern auch der Anthroposophie Rudolf Steiners. Die Volkskunst sieht er nicht als folkloristischen Steinbruch, sondern als Wiederentdeckung längst vergessenen Wissens.



Immer wieder setzten sich Kompetenz und Konsequenz durch

In der gleichmacherischen staatlichen Architekturproduktion des "sozialistischen Realismus" war Makovecz" Nonkonformismus gleichsam ein Sakrileg. Mehr als ein Mal musste der "Querkopf" nach Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten einen staatlichen Posten aufgeben. Doch immer wieder setzten sich seine Kompetenz und Konsequenz gegen die "Planungsbüros" durch; immer wieder taten sich Nischen auf, in denen er freie Hand bekam und sein Potenzial entfalten konnte.



Das Wesen des kommunistischen Kulturverständnisses sieht Makovecz in der Vernichtung: "Diesen Leuten war fremd, ja verhasst, was man in Europa für schön und würdevoll hielt." Zeichen früheren Reichtums mussten zerstört und unsichtbar gemacht werden. Kultur, so Makovecz, bedeutete für die Partei rhythmisch donnernder Applaus. "Man ließ uns unsere eigene Demütigung, unsere Ausbeutung beklatschen." Dagegen setzte der gebürtige Budapester seine überbordende Kreativität. 1969 gründete er eine private "Architekturschule", wurde von der Polizei bespitzelt und verhört.



Von der Wetterstation bis zum Kulturzentrum, vom Hallenbad bis zur Hallenkirche: Auf den Betrachter wirkt Makovecz" Vielfalt ungewohnt und doch merkwürdig vertraut. Die geschwungenen Formen erinnern zuweilen an Antoni Gaudi und den Jugendstil - dem jedoch Makovecz" Verehrung für die Symmetrie grundlegend widerspricht. Sein Lieblingsmaterial Holz - auch das ungewöhnlich in der sozialistischen Architekturproduktion aus Rigips und Beton - kommt auch in seinen zahlreichen Sakralbauten wirkungsvoll zum Tragen: in Kirchen verschiedener Konfessionen oder in Aussegnungshallen, die etwa einem riesigen menschlichen Brustkorb nachempfunden sind.



Wiederherstellung der dörflichen Siedlungen

Nach der Wende richtete Makovecz sein Augenmerk verstärkt auf die Wiederherstellung der dörflichen Siedlungen in Ungarn und den Nachbarländern Slowakei, Rumänien, Slowenien und Serbien. Seit den Zeiten des "Gulasch-Kommunismus" in den 80er Jahren und erst recht seit der Wende 1989 erntete er auch international die Früchte seiner vielfältigen Arbeit. Vor Projekten, Ausstellungen und Auszeichnungen auch aus dem Westen konnte er sich kaum retten: Makovecz ist Ehrenmitglied nationaler Architektenvereinigungen in den USA (1987), Deutschland (1992) und Großbritannien (1998), baute den ungarischen Pavillon für die EXPO 1992 in Sevilla, erhielt die höchste staatliche Kulturauszeichnung in Ungarn, den Kossuth-Preis (1990), und ist Präsident der Ungarischen Akademie der Künste. 2001 stellte er in der Päpstlichen Universität La Sapienza in Rom aus.



Makovecz eröffnet dem Menschen, für den er baut, außergewöhnliche Gelegenheiten zur Entdeckung der eigenen Spiritualität - und löst so das ein, was er als seine Berufung verspürt: "Die Architektur hat uns Menschen schon immer eine einzige Aufgabe gestellt: den Himmel mit der Erde zu verbinden."