Immer mehr Paare ohne Trauschein

"Die Ehe ist eine riskante Sache"

Experte der Bischofskonferenz im domradio-Interview Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der nichtehelichen Partnerschaften erneut. Gleichzeitig trauten sich weniger Paare - auch vor dem Altar.

 (DR)

Wie geht die Kirche mit der Entwicklung um?  domradio sprach mit Michael Feil, Leiter des Referats "Ehe und Familie" der Deutschen Bischofskonferenz.

domradio: Aktuelle Zahlen belegen: Die Zahl der nichtehelichen Gemeinschaften ist in den vergangenen zehn Jahren um rund ein Drittel gestiegen und das heißt, immer weniger Menschen wollen heiraten. Können Sie diese Zahlen auch bei der Eheschließung in der katholischen Kirche bestätigen?
Dr. Michael Feil: Die Zahlen der Eheschließungen in der katholischen Kirche sind auch zurückgegangen. Der Rückgang bewegt sich in etwa parallel zum Rückgang bei den staatlichen Eheschließungen.

domradio: Nun hat man sich bei der Bischofskonferenz sicher schon einige Gedanken über die Ursachen gemacht. Zu welchem Schluss sind sie da gekommen?
Dr. Michael Feil: Die Sache ist kompliziert. Zunächst einmal muss man sehen, dass es nicht direkt heißt, dass diese Menschen nicht heiraten wollen. Man kann die Zahlen immer unterschiedlich werten, aber wenn man dann auf die Gesamtsituation blickt, dann stellt man fest, dass es sehr viele Menschen gibt, die zunächst in eine nichteheliche Lebensgemeinschaft eintreten, später aber noch heiraten wollen. Um es mit einer weiteren Zahl zu belegen. Mittlerweile haben wir einen Zustand, bei dem 20 Prozent aller Ehepaare bereits voreheliche Kinder mit einbringen. Es gibt also sehr viele, vornehmlich junge Paare, die zuerst ohne Ehe zusammenleben und später dann noch heiraten.

domradio: Das sind dann sogenannte Patchwork-Familien bzw. nichteheliche Gemeinschaften. Muss sich die Kirche dieser veränderten Realität in Deutschland stellen und vielleicht neue Prioritäten setzen?
Dr. Michael Feil: In einer Gesellschaft, die sich pluralisiert und individualisiert, muss man damit rechnen, dass sich auch die Lebensformen individualisieren. Dadurch, dass viele Menschen doch noch eine Ehe eingehen wollen, ermöglicht das der Kirche, diese als Menschen zu sehen, die auf dem Weg sind zur Ehe und Familie, als Menschen, die sich noch nicht festgelegt haben, aber nicht komplett abgeneigt sind. Da ist dann die Möglichkeit, für die Ehe zu werben, da wir immer noch der Meinung sind, dass die Ehe die beste Grundlage für die Familienplanung ist.

domradio: Also ein Werben dafür, dass mehr Menschen in die Ehe gehen. Aber dagegen sprechen ziemliche hohe Scheidungsraten, wo Paare heiraten und sich nach wenigen Jahren wieder scheiden lassen.
Dr. Michael Feil: Die Ehe eine riskante Sache. Und der Umgang mit diesen Risiken hat sich heutzutage geändert. Die Gefahr, dass die Ehe scheitert, kann man nie ganz ausschließen. Ich denke, früher war es wahrscheinlich so, dass Menschen unverbunden nebeneinander her gelebt haben, obwohl sie miteinander verheiratet sind. Das kennt wahrscheinlich jeder aus der eigenen Familiengeschichte. Paare, wo man den Eindruck hat: "Warum haben die überhaupt noch zusammengelebt?" Heutzutage ist die Neigung viel höher, sich scheiden zu lassen. Man sollte allerdings nicht auf die Ehe verzichten, sondern diese viel bewusster angehen, an der Partnerschaft arbeiten und was dagegen tun, dass Partnerschaften scheitern.

domradio: Ist das vielleicht auch ein Punkt wo Kirche ansetzen kann um da zu helfen?
Dr. Michael Feil: In dem Punkt arbeiten wir ganz intensiv. Die Zahlen in der katholischen Eheberatung steigen seit Jahren stetig, was zeigt, dass immer mehr Paare an ihrer Partnerschaft arbeiten, um diese nicht zu Bruch kommen zu lassen.

domradio: Warum sollte man heute noch heiraten?
Dr. Michael Feil: Ich bin ein ganz notorischer Überzeugungstäter. Ich bin seit 19 Jahren verheiratet und ich könnte mir mein Leben und meine Beziehung zu meiner Frau nicht ohne Ehe vorstellen. Für mich ist es etwas, was meinem Leben enorm Stabilität und Halt gibt, ein ruhender Pol, der es auch erlaubt mit meinen Kindern zu leben und ihnen ein gutes Zuhause zu geben. Für mich ist es ein ganz wichtiger Stabilitätsfaktor.

Hintergrund:
Immer mehr Paare in Deutschland leben ohne Trauschein. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der nichtehelichen Partnerschaften auf gut 2,4 Millionen, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte. 1996 waren es 1,8 Millionen und damit ein Drittel weniger. Dagegen fiel die Zahl der verheiraten Paare im gleichen Zeitraum von 19,5 auf rund 19 Millionen.

Bei gut zwei Dritteln der nichtehelichen Partnerschaften wohnen keine Kinder im Haushalt, 28 Prozent der unverheirateten Paare zogen mindestens ein minderjähriges Kind groß. Dagegen haben mehr als die Hälfte aller Ehepaare mindestens ein Kind. Hier stehen 9,8 Millionen Familien 9,2 Millionen kinderlose Ehepaare gegenüber.

In 61 Prozent der nichtehelichen Lebenspartnerschaften waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes beide Personen erwerbstätig. Auch in den Lebenspartnerschaften mit Kind arbeiten in 53 Prozent der Fälle beide Partner, dann allerdings überwiegend in der klassischen Rollenverteilung mit Vollzeit arbeitendem Mann und teilzeittätiger Frau. Grundlage der Angaben ist der sogenannte Mikrozensus 2007, bei dem in einer repräsentativen Stichprobe ein Prozent der Deutschen befragt wurde.