Immer mehr Alleinerziehende in Deutschland immer öfter von Armut bedroht

Millionen Kinder betroffen

Traditionelle Familien werden weniger, die Zahl der Alleinerziehenden in Deutschland nimmt zu. Jede fünfte Familie besteht heute dem Statischen Bundesamt zufolge aus nur einem Elternteil mit Kindern. In den Großstädten jede Vierte. Vor allem alleinerziehende Mütter von Kleinkindern sind vom Armut bedroht.

 (DR)

1996 war es noch jeder siebte. Damals gab es 1,3 Millionen Alleinerziehende unter 9,4 Millionen Familien, heute sind es 1,6 unter 8,2 Millionen, wie aus dem jüngsten Mikrozensus von 2009 hervorgeht, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

Seit 13 Jahren erfasst das Statistische Bundesamt die Lebenslage von Alleinerziehenden. Neben der Zunahme dieser Familienform sind deutliche Unterschiede zwischen Ost und West und die im Vergleich zu Paarhaushalten schlechtere wirtschaftliche Situation die auffälligsten Ergebnisse.

Alleinerziehende Mütter am Rande der Armut
Sie sind weiblich, geschieden und von Armut bedroht. Mehr als die Hälfte der alleinerziehenden Frauen mit Kleinkindern müssen mit einem monatlichen Einkommen von unter 1100 Euro zurechtkommen. Das Statistische Bundesamt stellte am Donnerstag in Berlin die Ergebnisse des Mikrozensus 2009 vor, wonach Single-Mütter von Kindern unter drei Jahren über besonders wenig Geld verfügen. Grund ist häufig ein Mangel an Betreuungsangeboten, so dass die Frauen ihrem Beruf nicht nachgehen können. Insgesamt waren im vergangenen Jahr 31 Prozent der alleinerziehenden Frauen auf staatliche Leistungen wie «Hartz IV» oder Sozialhilfe als Haupteinkommensquelle angewiesen.

58 Prozent der alleinerziehenden Mütter finanzierten sich hauptsächlich über den eigenen Job. Der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, hob hervor: «Je älter die Kinder sind, desto geringer ist der Anteil alleinerziehender Mütter mit niedrigem Einkommen.» Ist das jüngste Kind 10 bis 14 Jahre alt, sinkt der Anteil der Mütter mit einem Einkommen von weniger als 1100 Euro auf 25 Prozent. Erreicht das Kind ein Alter von 15 bis 17 Jahren, müssen nur noch 19 Prozent der Mütter mit derart wenig Geld auskommen.

Bei den Vätern ist die Situation wiederum anders. Da die meisten Männer Kinder im Alter von 10 bis 17 Jahren betreuen, stehen sie auch finanziell besser da. Zudem ist Alleinerziehen auch heute noch «Frauensache», wie Egeler betonte. Während in Deutschland 1,4 Millionen Frauen allein für die Erziehung der Kinder zuständig sind, sind es gerade mal 154 000 Männer. Auch ging der Anteil der betroffenen Väter seit 1996 von 13 auf 10 Prozent zurück, obwohl die Gesamtzahl der alleinerziehenden Familien im selben Zeitraum um 20 Prozent anstieg. So lebte 2009 fast jede fünfte Familie mit minderjährigen Kindern unter der Obhut einer Single-Mutter oder des Single-Vaters.

Das Statistische Bundesamt stellte neben dem Mikrozensus auch Ergebnisse aus der Erhebung «Leben in Europa» vor, wonach im Jahr 2008 in Deutschland knapp jeder fünfte Alleinerziehende es sich nicht leisten konnte, die Wohnung angemessen zu heizen. Fast drei Viertel sahen sich finanziell nicht in der Lage, unerwartete Rechnungen wie beispielsweise eine defekte Waschmaschine zu bezahlen. Jedes Jahr eine einwöchige Ferienreise kam für mehr als die Hälfte der Alleinerziehenden nicht in Frage.

Im Osten höhere Anzahl an Alleinerziehenden
In Ostdeutschland ist der Anteil der Alleinerziehenden mit 27 Prozent deutlich höher als im Westen (17 Prozent), während aber zugleich die absolute Zahl der Ein-Eltern-Familien wegen des drastischen Geburtenrückgangs gesunken ist. Der Zuwachs kommt allein aus dem Westen. Im Osten ist mehr als die Hälfte der Alleinerziehenden ledig, im Westen sind zwei Drittel geschieden oder leben getrennt.

Während im Westen jedes vierte Kind außerhalb einer Ehe geboren wird, ist es im Osten jedes zweite. Insgesamt leben in Deutschland 2,4 Millionen Kinder bei Alleinerziehenden, davon 2,2 Millionen bei ihren Müttern.

SPD fordert mehr Unterstützung
Die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, forderte mehr Unterstützung für Alleinerziehende. Um das Armutsrisiko zu senken, brauche es Mindestlöhne und mehr Kinderbetreuung, sagte sie. Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Katja Dörner, kritisierte, die geplante Abschaffung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger und die Anrechnung bei Mini-Jobbern verschärfe das Armutsrisiko gerade der Alleinerziehenden. Die Linke erklärte, es werde Zeit, dass ein Stoppzeichen gegen die unsoziale Familienpolitik von Schwarz-Gelb gesetzt werde.

Die familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruß, bezeichnete die Zahlen, wonach 60 Prozent der Alleinerziehenden berufstätig sind, hingegen als «ermutigend». Sie zeigten, dass Deutschland bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf dem richtigen Weg sei. Allerdings würden Mütter von Kleinkindern noch auf zu viele Hürden stoßen.
An der Wirklichkeit vorbei
Unterdessen sprach sich der Verband alleinerziehender Mütter und Väter dafür aus, ledigen Vätern nicht grundsätzlich nach Geburt des Kindes das Sorgerecht zu geben. Entsprechende Pläne von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gingen an der Lebenswirklichkeit von Alleinerziehenden vorbei, sagte die Vorstandsvorsitzende Edith Schwab dem epd. Es sei falsch, Mütter vor Gericht zu zwingen, wenn sie mit dem gemeinsamen Sorgerecht nicht einverstanden seien. Es gebe einfach zu viele Lebensumstände, in denen ein Sorgerecht der nichtehelichen Väter undenkbar sei. Als Beispiele nannte die Speyerer Rechtsanwältin Schwangerschaften nach flüchtigen Beziehungen, die bereits vor der Geburt wieder gelöst wurden.