Imam-Schule in Berlin bildet 29 Studenten aus

Wo der Islam angekommen ist

Viel wurde in den vergangenen Tagen über die Rolle der Muslime in Deutschland geschrieben. Über Integration und welchen Weg sie nimmt, über das Verhältnis zum Staat bei der Islamkonferenz. In Berlin Karlshorst ist der Islam angekommen. 29 junge Männer werden hier zu Imamen ausgebildet.

Autor/in:
Birgit Wilke
 (DR)

Die fünf jungen Männer haben es sich in der noch spärlich ausgestatteten Bibliothek gemütlich gemacht. Sie sitzen um einen Tisch verteilt, jeder von ihnen ein Buch mit arabischen Schriftzeichen in der Hand. An diesem Nachmittag lesen sie in ihrer Schule im Koran. Kurz vor ihren Ferien, die am 10. Juli beginnen, heißt es lernen für die letzten Prüfungen.

"Am muslimischen Feiertag gibt es keinen Unterricht", erklärt Alexander Weiger. Die Studenten nutzten den Freitag aber gerne, um Stoff zu wiederholen. Weiger ist Leiter der privaten "Imam-Schule" im Ostberliner Stadtteil Karlshorst, die im April ihren Betrieb aufnahm und derzeit 29 junge Männer ausbildet. "Imam-Schule", der Name habe sich inzwischen eingebürgert, so der 38-Jährige. Beim Berliner Senat ist die Einrichtung als "private Ergänzungsschule für Theologie und Islamwissenschaft" verzeichnet.

"Gott hat uns hier zusammengeführt"
Weiger kommt aus einem tiefkatholischen Ort in Bayern und konvertierte vor zweieinhalb Jahren zum Islam. Freunde hatten ihn auf die Pläne zur Gründung der ersten Berliner Privatschule dieser Art aufmerksam gemacht. Jetzt führt er die Geschicke der Einrichtung, unterrichtet Deutsch und deutsche Gesellschaftskunde und paukt zugleich mit den anderen Studenten - alle zwischen 18 und 28 - Arabisch.

Mit dieser Doppelrolle hat er keine Probleme. "Gott hat uns hier zusammengeführt", beschreibt er seine Situation. In seinen Leitungsaufgaben unterstützt ihn Ridvan Sönmez, der gleichzeitig sein Arabischlehrer ist. Zusammen mit drei weiteren Dozenten bilden sie die jungen Männer aus, die aus dem gesamten Bundesgebiet und den Niederlanden kommen. Zum Fächerkanon gehören auch Koranlehre und islamische Rechtswissenschaft. Unterrichtssprache ist in der Regel Türkisch.

Längst sei die Nachfrage größer als das Angebot, so Weiger.
Interessenten gibt es auch in Österreich und Dänemark. Insgesamt könnte die Einrichtung, zu der auch ein Internat gehört, 68 Studenten aufnehmen. Für einen Platz an der Schule, die keine Frauen beschäftigt, müssen sie 4.000 Euro pro Jahr bezahlen, dies schließt auch die Kosten für Unterbringung in Gemeinschaftsräumen und Mahlzeiten mit ein.

Kaum Proteste aus der Bevölkerung im Vorfeld
Träger der Schule ist der Berliner Verein "Institut Buhara", dessen etwa 300 Mitglieder sich zum Sufismus, einer mystischen Richtung des Islam, bekennen. Dieser hat sich vor allem die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf seine Fahnen geschrieben. Mit Spendengeldern und viel Engagement haben der Vorstand und viele Helfer das frühere Kulturhaus der Eisenbahner gemietet und wieder auf Vordermann gebracht.

Anders als beim Bau der Ahmadiyya-Moschee im Ostberliner Stadtteil Heinersdorf gab es vor der Eröffnung kaum Proteste aus der Bevölkerung. Lediglich einige Flugblätter der NPD kursierten, die sich über die "klammheimliche" Gründung der "Koranschule" beschwerte. Etliche Anwohner aus der Umgebung nutzten einen Tag der offenen Tür, um die neuen Nachbarn kennenzulernen. Umgekehrt unternehmen Schüler und Lehrer Exkursionen etwa zum Abgeordnetenhaus, um die Metropole zu erkunden.

Vorurteile über den Islam abbauen
Für Weiger ist die Schule ein Beleg dafür, dass "der Islam in Deutschland angekommen ist". Die hier ausgebildeten Imame, die Deutsch sprechen sowie die Sitten und Gebräuche kennen, könnten die Jugendlichen - auch die zum Islam konvertierten - besser erreichen und zur Integration beitragen, meint er. Noch ist der nach sechs Jahren erreichte Abschluss eines "Diplom Islamwissenschaftlers" allerdings staatlich nicht anerkannt. Die Schule kann dies erst in frühestens drei Jahren beantragen.

Der 21-jährige Ibrahim Barlasakli sieht dem gelassen entgegen. Inzwischen hat er seine Bücher zugeklappt. Ihm gefallen der feste Rhythmus von Gebet und Unterricht und das Lernen mit Gleichgesinnten. Seine Motivation schildert er kurz und knapp: Er möchte seine Religion noch besser kennenlernen und verstehen. "Für uns wäre ein wichtiges Ziel erreicht, wenn unsere künftigen Imame dazu beitragen könnten, Vorurteile über den Islam abzubauen", meint Weiger.