Im Ukrainekrieg werden Kinder getötet oder traumatisiert

Fast ein Jahr Krieg

Ein Jahr Krieg in der Ukraine – und wie immer im Krieg leiden besonders Kinder unter den Angriffen. Ein Bericht von Save the Children zeigt das Ausmaß: Gewalt und Traumata, Stunden in Bunkern.

Autor/in:
Johannes Senk
Ukraine, Odessa: Kinder malen im Unicef Treffpunkt Spilno Child Spot / © Kay Nietfeld (dpa)
Ukraine, Odessa: Kinder malen im Unicef Treffpunkt Spilno Child Spot / © Kay Nietfeld ( dpa )

Am Freitag jährt sich der Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine – und hat seitdem auch viele junge Opfer gefordert. Laut einem am Montag vorgestellten Bericht von Save the Children wurden im Schnitt vier Kinder und Jugendliche am Tag durch Kriegshandlungen verletzt oder getötet.

Das Hilfswerk weist jedoch darauf hin, dass es sich bei dieser Zahl um eine vorsichtige Einschätzung handle. Die UN spreche zwar von mindestens 18.600 zivilen Opfern im Kriegsjahr, davon rund 7.100 Tote und etwa 11.500 Verwundete. Die tatsächlichen Opferzahlen könnten allerdings deutlich höher liegen, was auch die Schätzung zu den minderjährigen Opfern beeinflussen würde. Hinzu kämen noch unbestätigte Berichte über sexuelle Gewalt gegen Kinder sowie Folter und Tötung.

Über ein Monat in Schutzbunkern

Nach Angaben der Organisation sind durch den Krieg über vier Millionen ukrainische Kinder auf humanitäre Hilfe angewiesen, etwa 45 Prozent der gesamten minderjährigen Bevölkerung. Auch die dauerhaften Angriffe durch russische Artillerie und Bomber hätten große Auswirkungen auf das Leben der Kinder, so Save the Children. Im Schnitt hätten Kinder seit Beginn des Krieges etwa 920 Stunden – also über einen Monat – in Schutzbunkern verbringen müssen.

"So lange unter der Erde eingesperrt zu sein, ist eine schreckliche Erfahrung, die kein Kind machen sollte", betonte die Vorsitzende von Save the Children, Inger Ashing. Sie hatte die Ukraine zuletzt für einige Tage besucht und dort mit Kindern und ihren Familien in den ehemals russisch besetzten Gebieten gesprochen. Viele von ihnen lebten dort mit schweren psychischen Beeinträchtigungen und zeigten traumatische Verhaltensweisen, etwa wenn sie Alarmsirenen oder andere laute Geräusche hörten.

Inger Ashing, Vorsitzende von "Save the Children"

"So lange unter der Erde eingesperrt zu sein, ist eine schreckliche Erfahrung, die kein Kind machen sollte."

Der Schulunterricht sei zwar in kriegsbetroffenen Landesteilen vollständig auf Online-Formate umgestellt worden, hieß es weiter. Allerdings hätten nur etwa 30 Prozent der Kinder die notwendigen technischen Geräte, um am digitalen Unterricht teilzunehmen.

Save the Children fordert die Kriegsparteien auf, die Zugänge für humanitäre Hilfe für kriegsbetroffene Familien unter allen Umständen offen zu halten. Gleichzeitig müsse die internationale Gemeinschaft dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die für Verstöße gegen die Menschenrechte und Gewalt an Kindern verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden.

Kinder haben "nicht viel Hoffnung"

Am Montag besuchte auch US-Präsident Joe Biden spontan die ukrainische Hauptstadt Kiew und traf sich dort mit Präsident Wolodymyr Selenskyj. Biden sicherte dabei weitere Unterstützung zu.

Die Länderdirektorin von Save the Children, Sonia Khush, kritisierte, dass dabei zu oft nur über Waffenlieferungen gesprochen werde. "Es müssen die Kinder und ihre Familien mehr in den Vordergrund gestellt werden." Die psychischen Folgen auf Kinder seien schon jetzt immens groß. Wichtig sei es zudem, die digitalen Lehrangebote auszubauen, da Schulen gerade in den kriegsbetroffenen Regionen so bald nicht öffnen könnten.

Die Kinder seien sehr besorgt über ihre Zukunft, so Ashing. "Sie haben aktuell nicht viel Hoffnung." Zudem mahnte die Vorsitzende des Hilfswerks, über den Ukraine-Krieg die anderen Krisen der Welt nicht zu vergessen. Mit den Menschen im Jemen oder in Afghanistan müsse die Weltgemeinschaft dieselbe Solidarität wie mit der Ukraine zeigen.

Quelle:
KNA