Im nordrhein-westfälischen Witten pflegen Christen, Muslime und Andersgläubige seit mehr als 25 Jahren einen lebendigen Dialog

Gastfreundschaft gegen Vorurteile

Im nordrhein-westfälischen Witten pflegen Christen, Muslime, Juden und Hindus seit 25 Jahren unter dem Motto "Gemeinsam auf dem Friedensweg - Dialog der Religionen" gegenseitige Gastfreundschaft. Verbreitete Klischees und Feindbilder lassen sich vor allem durch das persönliche Erleben korrigieren, sind die Initiatoren überzeugt. Und ihre Bemühungen haben Erfolg.

Autor/in:
Ingrid Piela
 (DR)

«Alle Bewohner der Erde sind Nachbarn», heißt es in einem Gedicht von Martin Luther King. Der Weg zu einem friedlichen Zusammenleben führt nach Auffassung des Dortmunder Pastors Dietrich Schwarze auch über die Religionsgemeinschaften.

Der evangelische Pfarrer im Ruhestand gibt der Bewegung in Witten ein Gesicht. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert widmet er seine Freizeit dem Dialog der Religionen in der Region. Gerade auf lokaler Ebene werde leicht erfahrbar, dass es Alternativen zum «Kampf der Kulturen» gebe, erklärt Schwarze. «Der Islam» oder «die Muslime» bekommen als Arbeitskollegen oder der Nachbarn ein persönliches Gesicht. Verbreitete Klischees über «die Türken», «die Griechen» oder «die Albaner» lassen sich so am besten auflösen. Die spirituelle Ebene biete dafür eine besondere Chance, ist der ehemalige Gemeindepfarrer überzeugt.

In Witten laden sich seit 1989 evangelische und katholische Kirchen, Moscheen oder Gemeindehäuser im Wechsel zu Friedensgebeten ein. Das berühre viele und fördere außerdem Vertrauen. Dabei geht es nicht darum, einen gemeinsamen Gottesdienst zu feiern, sondern die eigene Stimme füreinander hörbar werden zu lassen. Dabei kommen mittlerweile Hindus, Juden, Buddhisten, Christen, Muslime, Sikhs und Bahá i zusammen.

Der Wittener Dialog der Religionen ist ein exemplarisches Projekt der Hauptvorlage «Globalisierung gestalten!», mit der die Evangelische Kirche von Westfalen bis Ende des Jahres eine breite Diskussion innerhalb der Kirche wie auch in der Gesellschaft fördern will. Zu dem 2007 gestarteten Projekt gehört unter anderem der Dialog mit Vertretern der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche. Das Christentum sei seit seinen Anfängen ökumenisch und daher auch global ausgerichtet, heißt es in der Veröffentlichung. Die westfälische Kirche will mit diesem Projekt alle Christinnen und Christen ermutigen, ihren Glauben im Alltag der Globalisierung konkret zu leben.

Der Dialog der Religionen in Witten wird seit 1983 von der internationalen, interreligiösen Friedensbewegung «Religions for Peace» (RfP) getragen. Sie betreibt seit 1970 Verständigungs- und Friedensarbeit. Dabei wird nicht eine «Einheitsreligion» oder Vermischung der Religionen angestrebt, sondern es sollen vielmehr die friedensfördernden Grundlagen der Religionen sichtbar gemacht werden: durch gegenseitiges Kennenlernen, Respekt voreinander und Treue zum eigenen Glauben.

In Witten schätzen die Teilnehmer besonders die Flexibilität. Die Begegnungen können sich frei und außerhalb starrer Strukturen entfalten. Die Veranstaltungen werden von Frauen und Männern getragen, die ein ganz konkretes Anliegen haben. Der «harte Kern» besteht aus rund 15 Ehrenamtlichen, die von weiteren engagierten Wittenern unterstützt werden.

Nach einem Besuch der neuen Synagoge in Bochum, einem Podiumsgespräch zum Thema «Mit Behinderungen leben» und verschiedenen Vorträgen steht für das zweite Halbjahr eine Exkursion zur neuen Moschee in Duisburg und eine Einladung zum Fastenbrechen im Ramadan auf dem Programm. Das Friedensgebet der Religionen findet dann am 25. November in der evangelischen Kirche Stockum in Witten statt.

Das Anliegen der Religionsgemeinschaften im Dialog fand bei einer der Aktionen im vergangenen Jahr einen symbolischen Ausdruck: Auf einem gemeinsamen Friedensweg verbanden die Teilnehmer Kirchen, Moscheen, den Platz der ehemaligen Synagoge und das Rathaus miteinander. An den unterschiedlichen Stationen wurden von den dort vertretenen Religionsgemeinschaften Gebete gesprochen für die Menschen in Witten und weltweit.