Im Mexiko beginnt am Sonntag die 17. Internationalen Aids-Konferenz

Zaudernder Kontinet

Der Ort könnte nicht passender gewählt sein. Bis zu 30.000 Besucher erwartet Mexiko-Stadt zur 17. Internationalen Aids-Konferenz vom 3. bis 8. August. Die Organisatoren des ersten Treffens in Lateinamerika fordern sofortiges Handeln. Doch gerade an Entschiedenheit fehlt es den Regierungen des Subkontinents allzu oft, sagen Aids-Aktivisten. Löbliche Ausnahme bleibt Brasilien.

 (DR)

Zunehmend typisch für Lateinamerika ist die Geschichte der Rosibel Zuniga. Die 34-jährige Buchhalterin und Mutter dreier Kinder führte in Costa Rica ein normales, traditionelles Familienleben - bis sie die Diagnose HIV-positiv traf. «Damals redete man zwar schon über Aids und HIV», sagt Zuniga heute, «aber so, als ob es das Phänomen bei uns im Land nicht gäbe». Angesteckt hat Zuniga ihr untreuer Mann.

«Ich hatte nie Angst vor einer Infektion, denn ich glaubte an eine auf Treue basierende Beziehung», erklärt sie. Zuniga engagiert sich inzwischen landesweit für HIV-infizierte Frauen. Größtes Hindernis für eine wirksame Aids-Prävention sei die herrschende traditionelle Moral, nach der für Männer und Frauen nicht die gleichen Regeln gelten. Man könne immer noch nicht offen über Partnerschaft und Sexualität reden, klagt sie. «Darum infizieren sich so viele Frauen.»

Die mexikanische Aids-Expertin Axela Romero spricht von einer «Feminisierung der Epidemie» in Lateinamerika. So hat sich etwa in Mexiko der Anteil der Frauen bei den HIV-Positiven in den vergangenen Jahren auf 41 Prozent verdoppelt - besondere Risikogruppe: junge Frauen von 18 bis 25 Jahren. Mexiko ist nach Brasilien das Land mit den meisten Infizierten: Etwa 200.000 bei 103 Millionen Einwohner. HIV ist damit längst nicht mehr das Problem einiger Randgruppen.

Fast 2 Millionen HIV-Positive
Von entschiedenem Handeln gegen HIV und Aids sind die meisten Staaten Lateinamerikas dennoch weit entfernt. Etwa 1,9 Millionen Menschen sind in Lateinamerika und der Karibik HIV-positiv. Davon steckten sich allein im vergangenen Jahr 117.000 neu an, schätzt die Weltgesundheitsorganisation.

Die Versäumnisse beginnen mit der verschämten und oftmals wirklichkeitsfremden Sexualerziehung der Jugendlichen. José Miguel Vivanco von der Menschenrechtsorganisation «Human Rights Watch» forderte darum im Hinblick auf die Aids-Konferenz zu einer «Prävention ohne Vorurteile» auf. «Die Regierungen und die Gesundheitsbehörden handeln weiterhin unter der Fiktion oder der Annahme, dass die Jugendlichen keine Sexualbeziehungen haben, oder dass sie sich bis zur Ehe enthalten müssen.»

Die Folgen der halbherzigen Prävention sind fatal. Unter Mexikos Jugendlichen etwa ist ungeschützter Geschlechtsverkehr weit verbreitet, wie eine Umfrage unter 13.000 Schülern zwischen 15 und 19 Jahren vor kurzem zeigte. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Studien in anderen Ländern des Kontinents.

Ausnahme Brasilien
Beispielhafte Ausnahme bleibt Brasilien. Seit den 90er Jahren arbeiten im bevölkerungsreichsten Land Lateinamerikas Gesundheitsbehörden und Selbsthilfegruppen eng zusammen. Laut den UN ist Brasilien das einzige Land, dem es gelungen ist, die Epidemie unter Kontrolle zu bringen. Dank umfangreicher Aufklärungskampagnen ist die Zahl HIV-Positiver in den vergangenen Jahren etwa bei 700.000 geblieben, bei einer Bevölkerung von knapp 190 Millionen. Die Regierung garantiert allen Infizierten Zugang zu kostenloser Behandlung.

Gut 200.000 Aidskranke erhalten lebensverlängernde Medikamente, von denen die Hälfte in brasilianischen Labors hergestellt werden. Um von der Pharmaindustrie Preissenkungen zu erwirken, drohte die Regierung wiederholt mit Patentbrüchen. In Brasilien hat sich die Entschiedenheit gelohnt. Die Behandlung eines Aids-Patienten kostet dort nur ein Viertel dessen was sie zum Beispiel in Mexiko kostet. Damit bleibt wiederum mehr für Aufklärung und Prävention übrig.