Im Kruzifix-Streit weiter Kritik aus CDU und CSU an Özkan

Enttäuschte Erwartungen

Nach begeisterten Reaktionen auf ihre Ernennung und ihre ersten Positionen erntet die designierte niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan mit ihrer Forderung nach einem Kruzifixverbot an staatlichen Schulen nun entschiedenen Widerstand in den eigenen Reihen.

 (DR)

Entrüstet äußerten sich insbesondere Politiker der CSU. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnete die Haltung Özkans als völlig indiskutabel, Deutschland sei von der christlichen Tradition geprägt. Das solle auch der jungen Generation in den Schulklassen vermittelt werden. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zeigte sich am Sonntag verärgert. In Niedersachsen würden «christliche Symbole, insbesondere Kreuze in Schulen, seitens der Landesregierung im Sinne einer toleranten Erziehung auf der Basis christlicher Werte begrüßt», sagte er. Özkan habe lediglich «ihre persönliche Meinung geäußert».

Kritik auch an Wulff
Der Trierer Sozialethiker und Dominikanerpater Wolfgang Ockenfels kritisierte auch Wulff. «Er hätte sich vor der Ernennung Ökzans zur Ministerin gründlicher über deren Haltung informieren sollen», sagte Ockenfels der «Rheinischen Post» (Montag). Frau Ökzan kenne offenbar nicht einmal das CDU-Parteiprogramm.

Der frühere bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) verwies die Deutsch-Türkin Özkan auf das Grundgesetz. Dieses sei nach der NS-Zeit mit ausdrücklicher Rückbesinnung auf das christliche Menschenbild verabschiedet worden, sagte Goppel, Vorsitzender des Geprächskreises der «ChristSozialen Katholiken».

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verteidigte die Forderung von Frau Özkan. Damit habe sie lediglich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in dieser Frage aufgegriffen, sagte der SPD-Politiker ebenfalls im Deutschlandfunk. Die Erschrockenheit innerhalb der CDU mache aber deutlich, dass Frau Özkan nicht zu dieser Partei passe.

Staatsministerin Böhmer sagte am Montag im Deutschlandfunk, Deutschland stehe in einer Jahrhunderte alten christlichen Tradition: «Kreuze in den Schulen sind Ausdruck unserer Tradition und unseres Werteverständnisses.» Die Forderung Özkans sieht Böhmer jedoch nicht als Hindernis für die CDU-Politikerin, das Ministeramt anzutreten. «Natürlich sollen Migranten alle Möglichkeiten in unserem Land haben», betonte Böhmer.

Ernennung wird in Frage gestellt
Maria Flachsbarth, Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, sieht nach eigenen Worten im Kreuz nicht nur ein kulturelles Symbol, sondern ein Bekenntnis der Christen. «Auch in einer pluralen Gesellschaft hat es seinen selbstverständlichen Platz in der Öffentlichkeit», fügte die CDU-Politikerin hinzu. Sie verurteilte zugleich Drohungen und Hetzkampagnen gegen Özkan. Diese Vorfälle seien unnachgiebig zu ahnden.

Ingrid Fischbach (CDU), stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union unter anderem für Soziales und Kirchen, warnte vor einer Verbannung von Kruzifixen. 1995 habe das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entschieden, dass die Anbringung eines Kruzifixes in öffentlichen Schulen mit dem Neutralitätsprinzip des Staates unvereinbar sei. Dennoch habe es bislang wenig Vorstöße gegeben, Kruzifixe aus Klassenzimmern öffentlicher Schuleinrichtungen zu entfernen.

Memet Kilic, Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, unterstützte Özkans Anliegen, Kruzifixe aus staatlichen Schulen zu entfernen. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits in seinem Kruzifix- und Kopftuchurteil darauf hingewiesen, «dass die zunehmende Heterogenität unsere Gesellschaft eine stärkere Neutralität der staatlichen Stellen erfordert».

Die Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen verlangte einen Verzicht Özkans auf das Ministeramt. Die Forderung der muslimischen Politikerin, Kreuze aus den Schulklassen zu verbannen, habe viele Christen verletzt, sagte der Vorsitzende, Pastor Ulrich Rüß, in Hamburg. «Immerhin gilt das Kreuz als Fundament unserer Kultur und Werte.»

Auch der Bundesvorsitzende der CDU-Nachwuchsorganisation Schüler-Union, Younes Ouaqasse, forderte Wulff auf, auf die Ernennnung Özkans zur Ministerin zu verzichten. «Diese Frau hat ihre Kompetenzen überschritten», sagte Ouaqasse der «Bild»-Zeitung (Montagausgabe). Durch Aussagen wie die von Özkan verlören die Volksparteien CDU und CSU ihre Glaubwürdigkeit und damit ihren Rückhalt in der Bevölkerung. Die aus der Türkei stammende Juristin Özkan soll am Dienstag ihr Amt als neue Sozial- und Integrationsministerin in Niedersachsen antreten.