Im Kongo werden ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt

Ohne Illusionen zur Wahl

Sie haben eine Stimme, aber letztlich keine Wahl: Viele Kongolesen wünschen sich Straßen, Krankenhäuser und Jobs. Doch sie bezweifeln, dass die Wahlen am Montag eine Wende bringen werden. Das gilt vor allem für die Präsidentenwahl: Amtsinhaber Joseph Kabila wird wohl wieder gewinnen.

Autor/in:
Bettina Rühl
 (DR)

Die junge Kongolesin lacht verlegen und blickt dann zu Boden. Nene Luhiri Mwindja, 24, macht gerade ihr medizinisches Examen, und ihr Land steht kurz vor den zweiten demokratischen Wahlen seit rund vier Jahrzehnten. Ein vielversprechender Aufbruch? Mwindja winkt ab. Zukunft ist für sie ein zu großes Wort. "Die meisten Mediziner arbeiten nach dem Studium unentgeltlich in den Gesundheitszentren ihrer Heimatdörfer", sagt Mwindja. Als Bezahlung bekämen sie nur hin- und wieder ein Huhn.



Die angehende Ärztin rechnet mit demselben Schicksal. Genauso illusionslos sieht sie die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an diesem Montag: "Ich wünsche mir einen Wechsel, aber ich glaube nicht, dass sich mit irgendeinem der Oppositionskandidaten etwas ändern würde."



Viele der 32 Millionen registrierten Wähler in der Demokratischen Republik Kongo haben den Eindruck, keine Wahl zu haben. Das gilt vor allem für die Präsidentenwahl: Amtsinhaber Joseph Kabila (40), vor zehn Jahren vom Militär eingesetzt und vor fünf Jahren gewählt, wird wohl wieder gewinnen. Das liegt mit an den Veränderungen im Wahlrecht, die er in diesem Jahr durch Senat und Nationalversammlung peitschen ließ.



Ein Einparteiensystem

"Damit sind wir praktisch zum Einparteiensystem zurückgekehrt", sagt der Politikforscher Aloys Tegera, der das Pole-Institut im ostkongolesischen Goma leitet. Denn nun ist der Präsidentschaftskandidat gewählt, der im ersten Wahlgang die einfache Mehrheit erzielt.



Die Opposition hätte da wohl nur mit einem gemeinsamen Herausforderer eine Chance. Nun aber gibt es zehn. Kabilas wichtigste Gegner sind nicht bereit, einem anderen die Bühne zu überlassen: weder der 79-jährige Sozialist Etienne Tshisekedi, noch der ehemalige Vertraute des amtierenden Präsidenten, Vital Kamerhe (52).



"Egal wer gewinnt, das System bleibt", glaubt der Medizinstudent Chicco Kasolva Tshinkobo - und meint Korruption und Vetternwirtschaft. Sie sind eine wichtige Ursache, dass das an Rohstoffen reiche Land seinen Bürger nichts zu bieten hat: Aus dem Gesundheits- und dem Bildungswesen zog sich der Staat fast völlig zurück und überließ den Kirchen das Feld.



Die wenigen Straßen, die im Kongo entstehen, werden von Chinesen oder anderen Ausländern gebaut, meist im Tausch gegen dicke Pakete lukrativer Bergbau-Konzessionen, wobei die Öffentlichkeit über Details im Unklaren bleibt.



Die medizinische Fakultät im ostkongolesischen Bukavu, an der Mwindja und Tshinkobo studieren, ist für den Zustand des Kongo bezeichnend: Die Universität ist kirchlich, das Gebäude wurde mit Geld des Evangelischen Entwicklungsdienstes erst kürzlich fertiggestellt. Gerade macht der erste Jahrgang seinen Abschluss: 22 angehende Ärztinnen und Ärzte, die auf keinen Arbeitsplatz hoffen können.



Fehlende Infrastruktur

Dabei wären sie für den Kongo ausgesprochen wichtig. In den vier östlichen Provinzen des Landes gibt es nur 62 Fachärzte in einem Gebiet, das größer als Frankreich ist. "Das Problem ist die fehlende Infrastruktur", sagt der Leiter der medizinischen Fakultät, Ahuka Ona Longombe. "Wir haben keine Krankenhäuser und keine Gesundheitsstationen. Der Bedarf an Ärzten ist riesig, aber es gibt faktisch keinen Ort, an dem sie arbeiten können."



Straßen, Krankenhäuser, Schulen und Arbeit gehören deshalb zu den größten Wünschen der Bevölkerung. Das gilt selbst für die Menschen in den östlichen Provinzen, in denen Gewalt trotz des offiziellen Kriegsendes immer noch weit verbreitet ist.



Auch in anderen Landesteilen wird eine neue Eskalation befürchtet. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Zusammenstöße zwischen Anhängern der Regierung und der Opposition. Menschenrechtsgruppen berichten zudem von Übergriffen der Polizei und Einschüchterungsversuchen, gewalttätigen Überfällen mit Verletzten und Toten. Trotzdem hat sich der Medizinstudent Tshinkobo immerhin eine Hoffnung bewahrt: "Wir Kongolesen sind des Krieges müde. Ich hoffe, dass es bei den Wahlen ruhig bleibt."