Im Haus der Stille von Kloster Drübeck

Lärmfasten im Kloster

Laut geht es zu in unserem Alltag. Tagein, tagaus sind wir von Lärm umgeben – Stille und Ruhe sind selten. Aber unser Körper und unsere Seele brauchen auch die Stille, damit wir nicht krank werden. 

Einmal auf den Lärm verzichten – Stefan Quilitz ist in die Klosterstille eingetaucht: Als Teilnehmer eines Schweigetages in die Stille von Kloster Drübeck am Nordrand des Harzes. Dort im „Haus der Stille“ wird das Schweigen geübt. 

Im Garten von Kloster Drübeck, ein Garten der Äbtissinen / © Stefan Quilitz
Im Garten von Kloster Drübeck, ein Garten der Äbtissinen / © Stefan Quilitz

„Wenn Sie so wollen, dann sind Sie hier auf Entzug!“ – Es ist ein Sommermorgen über Kloster Drübeck. Irene Sonnabend, eine der zwei Pfarrerinnen, die hier das „Haus der Stille“ leiten, begrüßt uns – die Teilnehmer eines Art Schweige-Schnupperkurses – in einem der Äbtissinnen-Gärten des alten Klosters. Im 18. Jahrhundert haben die Stiftsdamen des ehemals evangelischen Klosters diese Gärten angelegt, fünf kleine, schlichte Barockgärten, von Mauern umgeben und nur von einer Gartenpforte durchbrochen. Eine Wiese, ein Gartenhäuschen, ein Baum, Bänke darunter – dieses Gärtlein lenkt nicht ab, aber es lädt ein. Ein Rückzugsort damals für die Stiftsdamen, heute für Menschen, die die Stille suchen. 

Wir fühlen uns wohl auf den Bänken in der Morgensonne, um uns her zwitschern die Vögel. Aber genau jetzt beginnt auch der Tag Schweigen, der Entzug vom Lärm.

Irene Sonnabend liest als Einstieg in Schweigen und Stille einen Text von Kierkegaard, 160 Jahre alt, aber moderner denn je, ein Plädoyer gegen den Lärm: „Schaffe Schweigen!“, heißt es darin, „Der Mensch, dieser gewitzige Kopf, sinnt fast Tag und Nacht darüber nach, wie er zur Verstärkung des Lärms immer neue Mittel erfinden und mit größtmöglicher Hast das Geräusch und das leere Gerede möglichst überallhin verbreiten kann.“ Das trifft uns Teilnehmer des Schweigetages, gerade hatten wir noch die Nachricht unserer Ankunft im Kloster in alle Netzwerke verbreitet. 

Schweige und höre

Solch anregende Texte streut Irene Sonnabend immer wieder in unser Schweigen hinein, auch bei Tisch, wo das Stillsein vor allem schwer fällt und das Klappern des Bestecks plötzlich so laut wird. Behutsam, freundlich, spricht sie uns an, spricht unsere Sprache, nimmt uns mit. Und dies ganz wörtlich. Der Garten des Klosters wird zu einem Erfahrungsfeld: Wie nehme ich den Körper wahr im Schweigen? Wie nehme ich mich wahr? Wohin schweife ich ab mit meinen Gedanken? Wohin lenke ich meine Aufmerksamkeit? Mit wenigen Worten werden die Übungen über Tag zu einer Einführung in die Meditation. Die Begleitung ist wichtig, Irene Sonnabend weiß, welche Gedanken und Gefühlen hochkommen können im Schweigen. 

Körperwahrnehmung und Meditation sind wesentlicher Bestandteil der Angebote im Haus der Stille. Und darüber legt sich dann auch der klösterliche Tagesrhythmus des Ortes: Die schweigend eingenommenen Mahlzeiten, die Mittagsruhe und auch die vier Gebetszeiten in der Kirche mit meditativen Gesängen und Impulsen. Der Rhythmus hier soll helfen, den eigenen neu zu finden.

Die schlichte romanische Kirche mit ihrem wuchtigen Westwerk außen ist ein einladender und schützender Ort für alle Gäste, egal wie groß ihre Distanz zum Glauben ist. Und trotzdem aber für Pfarrerin Sonnabend ein klares Angebot, bei all der spirituellen „Diffusität“ in Kontakt zu Gott zu treten. „Schweige und höre“, erklingt es in der Kirche, „neige deines Herzensohr, suche den Frieden.“

Heilende Stille

Kloster Drübeck ist ein evangelisches Tagungshaus, das „Haus der Stille“ ist darin noch mal ein besonderer Ort mit eigener Kapelle und eigenem Meditationsraum. Hier wird nicht diskutiert oder musiziert, hier geht es allein darum, zur Ruhe zu kommen, zu sich selbst. Pfarrerin Sonnabend und ihre Kollegin Brigitte Seifert haben auch eine therapeutische Ausbildung; oft genug kommen Menschen, die wirklich Heilung suchen, ausgebrannt sind und nach Einzelgesprächen fragen. Und beide haben eine offene, sympathische Ausstrahlung – ganz so wie die sanfte Landschaft des Vorharzes, die ihren Teil zum Wohlbefinden beiträgt. Und so sind wir nach 24 Stunden alle angetan von Ort und Angebot, ja sogar tatsächlich froh, so bewusst geschwiegen zu haben, auch diejenigen, die zunächst skeptisch waren gegenüber dem christlichen „Absender“. Wir waren nicht allein im Schweigen. Und noch mehr: Auf der Heimfahrt geht mir auf, dass wir trotz des Schweigens in einer Art Gespräch waren, im Austausch, in einem intensiven Miteinander. (St.Q.)