Im bayerischen Aschau betreiben Ordensleute einen Supermarkt

Der heilige Edeka

Dass es sich in Aschau am Inn um ein besonderes Geschäft handelt, erkennt nur, wer genau hinschaut. Drinnen sind die Regale voll: Teigwaren, Milchprodukte, Putzmittel für den täglichen Bedarf. Und doch ist es letztlich ein Klosterladen. Nur, dass die Salesianer Don Boscos dort Jugendliche ausbilden.

Autor/in:
Veronika Wawatschek
 (DR)

Hinten an der Gefriertruhe sortiert Philipp Szasz die Waren ein: Erbsen nach links, daneben der Gemüsemix, die Etiketten bündig. Szasz ist im zweiten Lehrjahr. Einzelhandelskaufmann will er werden und später in einem "richtigen" Supermarkt arbeiten, wie er sagt.



Über dem Eingang steht in Edeka-Blaugelb der Schriftzug "Don Bosco", innen hängt ein schmales Holzkreuz über der Tür, auf den Poloshirts der Mitarbeiter ist das Emblem des Ordens aufgestickt. Der Supermarkt gehört zum Berufsbildungswerk (BBW), das die Salesianer im Ortsteil Waldwinkel betreiben. 266 Ausbildungsplätze in 28 IHK-Berufen für Jugendliche mit körperlichen und psychischen Einschränkungen bietet das BBW. Finanziert werden die Azubis über die Arbeitsagentur.



Als Krämer hat sich Ordensgründer Giovanni Bosco, genannt Don Bosco, keinen Namen gemacht. Der Priester kümmerte sich im 19. Jahrhundert in Turin um vernachlässigte Jugendliche und ermöglichte ihnen eine schulische und berufliche Zukunft. Gestorben im Winter 1888, bestimmt sein Beispiel bis heute die Arbeit des Ordens.



150 Quadratmeter für 28 Azubis

"Hier kann ich zeigen, was ich kann", sagt Szasz und strahlt. Der 19-Jährige kommt aus der Nähe von Ulm. Im oberbayerischen Aschau ist er, weil er dort Chancen hat, die er anderswo nicht hätte. Im BBW geht es nicht um seine bisherige Laufbahn, nicht darum, dass er keinen Hauptschulabschluss hat. "Meine Vergangenheit ist nicht so der Hit", sagt er, wechselt das Thema und redet lieber vom Kundenkontakt, der ihm so viel Spaß macht.



An der Kasse sitzen findet er cool, vor allem den neuen Touchscreen. Seit der Markt an den Ortsrand gezogen ist, hat sich nicht nur die Fläche vervierfacht und das Sortiment vergrößert, auch die Ausstattung ist moderner. Acht Jahre lang betrieben die Salesianer einen Nahkauf im Ort. "Das war aber eher ein Kaufladen als ein Supermarkt", erinnert sich BBW-Leiter Klaus Ortner. 150 Quadratmeter für 28 Azubis. "Die Jugendlichen sind sich ständig auf die Füße getreten." Auch klagten sie über zu wenig Arbeit. Und die 3.000 Aschauer kamen oft nur, um die vergessene Zahnbürste zu kaufen.



Als die Gemeinde ein Gewerbegebiet auswies, kam beim BBW der Gedanke eines richtigen Supermarkts auf. Ein Jahr nur verging von der Idee bis zur Eröffnung im September 2011. Planung und Bau waren dabei nicht das größte Problem. Es galt, die Ordensleitung dafür zu gewinnen.



Ein Projekt, das Schule machen könnte?

"Wir waren zunächst zurückhaltend", bestätigt Provinzial Pater Josef Grünner. Schließlich überzeugte das BBW-Team mit dem ordenseigenen Slogan: "Damit das Leben junger Menschen gelingt." Dazu gehöre auch eine praxisnahe Ausbildung, argumentiert BBW-Leiter Ortner. Also Lernen unter realen Bedingungen. Das BBW ließ vor dem Bau eigens eine Marktanalyse erstellen. Denn der Orden bestand darauf, dass der Laden sich rechnen müsse. 1,5 Millionen Euro investierten die Salesianer allein in Bau und Einrichtung. Dazu kamen die Kosten für den Grundstückserwerb.



Rund um den Ordens-Supermarkt ist mittlerweile ein Mini-Einkaufszentrum entstanden, mit Metzgerei, Bäckerei und Postfiliale. "Man trifft sich wieder", sagt Bürgermeister Alois Salzeder. "Die Aschauer sind sehr zufrieden." Das gilt auch für die Verantwortlichen: Die Kalkulation ist aufgegangen. Allein in den vergangenen vier Monaten hat sich der Umsatz verdreifacht.



Ein Projekt, das Schule machen könnte? Die Ordensleitung ist durchaus angetan. Stärker in den Einzelhandel einsteigen wollen die Salesianer aber nicht. Man müsse sich jeweils an die Situation vor Ort anpassen, meint Pater Grünner. In Aschau scheint das gelungen: Die Bürger haben ihren Kramer "Don Bosco" und die Azubis alle Hände voll zu tun.