Pfarrer berichtet über die Stimmung in London vor dem Spiel

"Ich tippe Deutschland-England 2:1"

Anpfiff heute Abend um 18 Uhr in Wembley zwischen England und Deutschland. Auch Pfarrer Andreas Blum guckt zu. Der Leiter der deutschsprachigen Gemeinde in London erzählt, wie die Stimmung vor Ort gerade ist.

Deutsche Fußballfans (Archiv) / © Juri Pozzi (shutterstock)
Deutsche Fußballfans (Archiv) / © Juri Pozzi ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Spüren Sie schon was von der England-Deutschland-Euphorie in der Stadt?

Pfarrer Andreas Blum (Leiter der deutschsprachigen Gemeinde in London): Das geht eigentlich schon seit einigen Tagen so. Man freut sich hier wahnsinnig auf dieses Spiel, ein Klassiker natürlich. Gleichzeitig stellt man so ein bisschen fest, dass der alte Zusammenprall, so hat es der Guardian zum Beispiel heute Morgen in der Zeitung noch geschrieben, dem man früher entgegenfieberte, dass das vielleicht Vergangenheit ist und dass heute doch eher das Freundschaftliche auch in dieser Partie im Vordergrund steht.

DOMRADIO.DE: Beeinflusst das Spiel heute auch ganz konkret Ihre Arbeit an diesem Dienstag in der Gemeinde? Also keine Termine ab 18 bzw. 17 Uhr?

Blum: Das ist richtig, genau. Also ich werde auch Fußball schauen, das muss ich schon, weil es natürlich auch Thema in meiner Gemeinde ist. Das Traurige ist natürlich, wir würden sonst hier im Gemeindesaal eine Leinwand aufbauen und auch zusammen das Spiel gucken und einladen dazu. Das ist im Moment noch nicht erlaubt. In den Innenräumen dürfen nicht mehr als sechs Personen aus verschiedenen Haushalten zusammenkommen. Und auch in den Pubs ist es schwierig. Sobald man aufsteht, muss man eine Maske tragen und man hat eigentlich Sitzplatzpflicht, sodass das gemeinsame Schauen des Spiels für uns, wenn wir nicht im Stadion sind, eher schwierig ist.

DOMRADIO.DE: Es gab ja jetzt schon einige EM-Spiele in London. Wie viel Fußball-Feeling ist generell in der Metropole?

Blum: Wir sind natürlich auch von der Pandemie betroffen und im Moment wieder mit der sogenannten Delta-Variante oder sogar Delta Plus, die es jetzt schon gibt, konfrontiert. Was die Infektionszahlen angeht, das beschäftigt natürlich viele Leute neben dem Fußball auch. Vor allem in meiner Gemeinde wünschen sich viele, endlich mal wieder nach Hause fahren zu können.

Manche haben seit über einem Jahr ihre Familien, ihre Eltern nicht mehr sehen können. Und die Reisebedingungen sind eigentlich so schwierig wie noch nie seit Beginn der der Pandemie. Da ist der Fußball oder so ein Fußballfest eine willkommene Abwechslung, aber nicht eine ganz ungetrübte Freude.

DOMRADIO.DE: Es ist ja schon tatsächlich auch komisch zu sehen: 45000 Zuschauer heute Abend in Wembley und wir haben die Corona-Pandemie. Passt ja eigentlich irgendwie nicht zusammen, oder? Wie nehmen Sie das wahr?

Blum: Ja, hier ist der Lockdown noch einmal verlängert worden. Ein Lockdown, der jetzt seit Anfang des Jahres im Prinzip schon gilt, mit unterschiedlichen Regeln. Es ist immer noch so, dass wir nicht mit mehr als sechs Personen zusammenkommen können. Und plötzlich sind es 45000, bei den letzten Spielen sollen es dann ja sogar 60000 Zuschauer werden. Das Ganze wird natürlich vom Gesundheitsdienst NHS begleitet, mit Tests vor und nach den Spielen. Man verkauft das Ganze auch so ein bisschen als Experiment, um zu sehen, wie Großveranstaltungen sich auf die Entwicklung der Pandemie auswirken.

Aber es bleibt natürlich ein gewisser Beigeschmack, wenn man sieht: Beim Spiel gegen Schottland fielen 3000 Schotten in London ein und haben selbstverständlich auf den Straßen gefeiert, Arm in Arm und sämtliche Regeln so außer Acht gelassen. Wie geht das zusammen mit dem, was der Rest der Bevölkerung an Regeln gerade einhalten muss…?

DOMRADIO.DE: Aber trotzdem bringt diese EM ja gerade wieder viel positives Lebensgefühl zurück. Menschen treffen sich, gucken zusammen Fußball, soweit das eben möglich ist, fiebern mit, wenn's sein muss, bis tief in die Nacht. So wie vergangene Nacht bei Schweiz gegen Frankreich. Welche Rolle spielt der Fußball gerade für die Menschen?

Blum: Es ist sicherlich eine willkommene Abwechslung und wir haben ja nicht nur den Fußball, Wimbledon ist auch gestartet, gestern mit einem gefeierten englischen Sieg, war zwar auch nicht ganz leicht, aber immerhin, für manche ein Vorzeichen für heute Abend. Ob man nicht heute Abend dann auch die Deutschen nochmal schlagen könnte? Es ist schon ähnlich wie andere kulturelle Veranstaltungen gerade etwas, was die Stimmung hebt.

DOMRADIO.DE: Alle Leute, die ich heute treffe, frage ich natürlich nach einem Ergebnis. Und das ist bei Ihnen nicht anders…

Blum: Das ist für mich natürlich eine heikle Frage. Meine Gemeinde besteht aus Engländern und aus Deutschen, wobei die Engländer Freunde der Deutschen sind und die Deutschen, die hier leben, natürlich auch Freunde von England sind. Insofern eigentlich können wir hier nur gewinnen. Aber ich tippe natürlich auch auf Deutschland: 2:1.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Pfarrer Andreas Blum (privat)
Pfarrer Andreas Blum / ( privat )
Quelle:
DR