Von Orten, die sprichwörtlich geworden sind

"Ich kenn doch meine Pappenheimer"

Ob der "Gang nach Canossa" oder die "Reise nach Jerusalem": Wie kommt es, dass sehr kleine und große Städte eine sprichwörtliche Bedeutung erlangt haben? Antworten gibt der Schriftsteller Rolf-Bernhard Essig.

Wegweiser nach Jerusalem / © SK Design (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Lassen Sie uns erstmal auf die Pappenheimer schauen: Gibt es denn wirklich einen Ort, der Pappenheim heißt?

Dr. Rolf-Bernhard Essig (Autor des Buchs "Ich kenn doch meine Pappenheimer: Wunderbare Geschichten hinter sprichwörtlichen Orten"): Pappenheim liegt gar nicht weit von mir entfernt in Mittelfranken. Er ist sehr schön, liegt an der Altmühl und ist mit einer Burg versehen. Dort gab es ein Reiterregiment, das im Dreißigjährigen Krieg eine große Rolle spielte.

Insofern hat es dann auch den Weg in das Drama "Wallensteins Tod" von Friedrich Schiller gefunden. In einer ganz wichtigen Szene sagt der Feldherr Wallenstein: "Daran erkenn' ich meine Pappenheimer". Wie Vieles von Schiller wurde auch das dann zu einem geflügelten Wort, das je nach Ton und je nach Situation etwas anderes bedeutet.

DOMRADIO.DE: Sie haben mehr als 200 Geschichten für das Taschenbuch gesammelt, die sich genau mit diesen Orten befassen. Jetzt sind wir bei DOMRADIO.DE – da würden mich natürlich die Hintergründe der religiösen Orte interessieren. Zum Beispiel verwenden wir ja die Redewendung "Über den Jordan gehen". Wo kommt das her?

Essig: Wir sehen das sogar in der Populärkultur in "Crossing Jordan". Das ist eine Serie, die sehr erfolgreich war. Grundsätzlich geht es darum, dass das Volk Israel über den Jordan in das gelobte Land hinein kam. Das ist das erste. Das war dann so eine Art Paradies. Wer starb in Israel, bei dem konnte man sagen: Er verlässt das Land. Das ging eben über den Grenzfluss. Deswegen kam dann relativ früh diese Idee: Wer den Jordan überquert, der ist tot.

Vor allen Dingen der Pietismus hat eine große Rolle gespielt, weil er in diesem Sterben auch ein Heimkommen ins Paradies sah. Das stand ja wiederum für das gelobte Land und auch da passte dann der Grenzfluss Jordan wieder. Ein Letztes brachten dann die Spirituals, die Gospels: Da kommt das Motiv immer wieder vor als ein schönes Heimkommen. Im Alltag kann man, wenn etwas verloren gegangen ist, sagen: "Ach, das ist über den Jordan gegangen."

DOMRADIO.DE: Wenn wir schon einmal in der arabischen Welt sind, haben wir ja das "Mekka der Feinschmecker" oder das "Mekka der Motorradfahrer" aus dem islamischen Kontext – aber auch Jerusalem taucht ja immer wieder auf. In der "Reise nach Jerusalem" zum Beispiel. Gibt es da einen Zusammenhang?

Essig: Bei Jerusalem ist die Sache ähnlich wie bei Mekka. Es sind beides die zentralen Pilgerstätten und im religiösen Kontext überhaupt wichtig. Bei der Reise nach Jerusalem, da ist das ja schon im Namen dieses Spiels deutlich. Da geht es darum, dass man um Stühle herum tanzt und dann bricht die Musik ab. Es gibt aber einen Stuhl weniger als Leute, die tanzen. Einer bleibt übrig und der muss dann ausscheiden. Bei einer Pilgerreise in alten Zeiten, da war es auch so, dass immer mal wieder Leute nicht nach Hause kamen. Deswegen hat das Spiel auch seinen Namen bekommen. In anderem Kontext heißt es "Reise nach Rom". In Jerusalem heißt es übrigens "Die musikalischen Stühle".

Mekka klar als die Stadt, die mit der Kaaba das wichtigste Heiligtum hat, zu der man hin muss, wenn man ein Hadschi werden will. Wenn wir schon "Hadschi" sagen, auch die Romanfigur Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah spielt eine Rolle. Reiseschriftsteller wie Karl May haben dafür gesorgt, dass diese Stadt sprichwörtlich wurde. Bismarck hat den Begriff schon verwendet und spricht vom "Mekka der Zivilisation".

DOMRADIO.DE: Wenn wir gerade schon die ganzen Pilgerorte abgehen: Sie haben Rom gerade schon angesprochen. Wie sieht es aus mit der Ewigen Stadt? Ich vermute mal, dass Papst und Vatikan auch eine Rolle in unserem Sprachgebrauch spielen.

Essig: Die Sache ist, dass es nicht immer um das katholische Rom geht. "Rom wurde nicht an einem Tag erbaut" - da geht es ja um das klassische Rom. Gerade in katholischen Kreisen, da hört man - je nach Ton wieder unterschiedlich - "Roma locuta causa finita". Sprich: Der Papst hat gesprochen - Der Fall ist erledigt. Gleichzeitig gibt es aber auch so etwas humorvolle Sprüche: "Der Papst und ein Bauer wissen mehr, als der Papst allein."

DOMRADIO.DE: Ich hab gesehen, dass auch Köln bei Ihnen auftaucht. Gibt es da einen religiösen Kontext?

Essig: Ab und zu hört man noch: "Ausgerechnet!" sagt jemand und setzt dann hinterher "Wie die elftausend Jungfrauen." Es ist ja, wie wir wissen, wahrscheinlich bloß auf einen Lesefehler zurückzuführen, das es gerade elftausend sind. Was ich besonders mag: "Der Kölner kommt mit einer 4- in den Himmel." Er sündigt nur so viel, dass er noch versetzt wird.


Rolf-Bernhard Essig / © Gudrun Schury
Rolf-Bernhard Essig / © Gudrun Schury
Quelle:
DR