Honduras ist im Ausnahmezustand

Machtkampf auf Kosten der Armen

In Honduras nimmt der Machtkampf bizarre Züge an. Der gestürzte Präsident Manuel Zelaya versucht immer wieder, Anhänger zu Demonstrationen zu mobilisieren.

Autor/in:
Matthias Knecht
 (DR)

In der Hauptstadt Tegucigalpa fand er Asyl in der brasilianischen Botschaft. Der De-facto-Staatschef Roberto Micheletti schickt Soldaten, verhängt Ausgangssperren und schließt Radiostationen. Die Armut wächst. Auch in den Reihen von Michelettis Anhängern wächst die Kritik an den drakonischen Maßnahmen.

Oneida Ramos beschreibt die Lage als verzweifelt. «Seit dem Staatsstreich vor drei Monaten hat sich die Situation verschlimmert», berichtet die Sozialarbeiterin, die im Norden von Honduras ein Ernährungsprojekt betreut, das vom evangelischen Hilfswerk Diakonie Katastrophenhilfe unterstützt wird. Ramos: «Die Lebensmittelpreise sind deutlich gestiegen. Die Krankenhäuser betreuen nur noch Notfälle. Medikamente gibt es keine mehr. In der Bevölkerung herrscht Ohnmacht, Hoffnungslosigkeit und Unruhe.»

Honduras gehört zu den ärmsten Ländern Lateinamerikas. Seit das Militär den gewählten Präsidenten Zelaya gewaltsam absetzte und außer Landes flog, steht das Land international am Pranger. Die USA, die EU, die Weltbank und andere internationale Organisationen setzten Entwicklungshilfe in Millionenhöhe aus. Der Internationale Währungsfonds sperrte vergangene Woche eine vorgesehene Überweisung in Höhe von 169 Millionen US-Dollar.

Honduras trifft das hart. 80 Prozent seiner 7,2 Millionen Einwohner leben in Armut. Jedes siebte Kind ist chronisch unterernährt. Jeden Tag dürften es mehr sein. Der honduranische Dokumentarfilmer Walter Hernández berichtet, dass immer mehr bettelnde Kinder in den Straßen Tegucigalpas auftauchen.

Die Maßnahmen der Putschregierung verschärfen die Wirtschaftsprobleme. Der international nicht anerkannte Micheletti regiert mit wiederkehrenden Ausgangsverboten und Straßensperren. Das erschwert es, jedweder Arbeit nachzugehen, und behindert den Transport von Waren aller Art.

Die Regierung selbst beziffert die Verluste seit der heimlichen Rückkehr Zelayas vor gut einer Woche auf täglich 20 Millionen Dollar. Die Putschregierung räumte ein, dass seit ihrer Machtübernahme vor drei Monaten 60.000 Arbeitsplätze verloren gegangen seien. Unabhängige Ökonomen schätzen die Jobverluste auf das Doppelte.

Am schlimmsten sind die mehr als eine Million Honduraner betroffen, die in der Schattenwirtschaft ohne jegliche Absicherung ihr Auskommen suchen, zum Beispiel als Straßenhändler. «Jeder Tag ohne Arbeit ist für sie ein Tag ohne Essen», sagt Hernández. «Wenn die Situation noch länger anhält, wird es viele Tote geben. Aber nicht durch Gewehrkugeln, sondern durch Hunger», warnt er. Weil Hernández die Demonstrationen für Zelaya unterstützte, wurde er zwischenzeitlich verhaftet.

Unmut über Micheletti wird neuerdings auch unter den Unternehmern laut, die ihn bisher unterstützten. Der «Honduranische Rat der Privatunternehmen» kritisierte am Wochenende in scharfer Form die Ausrufung des Ausnahmezustands: «Diese Maßnahme trifft die Wirtschaft des Landes enorm.» Wenige Stunden später kündigte Micheletti an, den Schritt noch einmal zu überdenken.

Auch Honduras' Nachbarländer spüren die Folgen des Putsches. In ganz Zentralamerika seien Arbeitslosigkeit, Armut und Unterernährung gestiegen, warnte der Außenhandelsverband der Region. Kritik kommt auch von dem honduranischen Parlament, das Micheletti nach Zelayas Entmachtung Ende Juni zum Übergangspräsidenten gewählt hat.

Für den 29. November ist die Präsidentenwahl angesetzt, in der Micheletti die Lösung der Krise sieht. Aber UN-Generalsekretär Ban Ki Moon meldete schon öffentlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Wahlen an, die unter dem Ausnahmezustand stattfinden.

Vier Kandidaten drängten daher Micheletti, direkte Gespräche mit Zelaya zu führen. Sie befürchten, dass das Wahlergebnis unter den gegenwärtigen Bedingungen international nicht anerkannt wird. Zelaya ist die Wiederwahl laut Verfassung verwehrt.