Höreindrücke: domradio in Köln seit dem 11.Juni auf Sendung

Im Test mit der Technik und der Welt

Der Kontrast war eindrucksvoll: Am Samstagabend, 19. August, berichteten die Jugendwelle WDR Eins Live und das WDR Fernsehen intensiv von den musikalischen Veranstaltungen im PopKomm-seligen Köln. Während dessen hatte der jüngste der Kölner Radiosender, das Dom Radio, eine Satellitenverbindung zu einem anderen Massenereignis gelegt, das zur gleichen Zeit in Rom stattfand: dem Weltjugendtreffen mit dem Papst.

 (DR)

Seit Pfingstsonntag, 11. Juni, ist das Dom Radio des Bildungswerks der Erzdiözese Köln, auf Sendung, über Satellit (bundesweit) und Kabel (Einspeisung auf dem Gebiet der Erzdiözese Köln). Senderstarts finden in diesen Zeiten nahezu alle paar Wochen statt. Das katholische Radio mit der Düsseldorfer Satellitenlizenz und dem Platz auf einem rheinland-pfälzischen Satelliten-Hörfunkkanal hatte aber einen Start, wie er einem katholischen Radio an Pfingsten ansteht: weihrauch-ausgelöster Feueralarm, geistesgegenwärtige Entwarnung bei der Feuerwehr. So bekam die Öffentlichkeit mit, dass kirchliche Einweihungen anders laufen als weltliche, dass sie mehr sind als Knopfdruck und Sektparty, dass sie mit liturgischen Gewändern und mit Riten zu tun haben, und eben auch mit jenem Weihrauch.
Die Sendetechnik im Selbstfahrerstudio des Dom Radios scheint auch Wochen nach dem Start nicht immer zu parieren. Löcher zwischen Moderation und anschließender Musik gehören fast zum Normalbetrieb, abends gab es schon ein Fünfminuten-Loch, das Einspielen der Jingles ist nicht immer mit dem Charakter zumindest der direkt anschließenden Musik abgestimmt. Nervosität gibt es zuweilen auch, so etwa am 6. August, als der Moderator die Gottesdienstübertragung um 10.00 Uhr (bisher kamen diese ausschließlich aus dem Kölner Dom, mit Ausnahme einer Samstagsübertragung aus dem Münster von Neuss) gleich zweimal ankündigte. Stress herrschte am Freitag, 11. August, als das „Wort um neun" gestartet werden sollte und nichts geschah. Auch beim zweiten Versuch nicht. Die Moderatorin fasste sich und hakte den zweiten misslungenen Versuch als sendetechnischen Jokus ab.
Das domradio hat ein Programm mit fünf gemischten Musik/Wort-Leisten (vgl. FK 23/00).
Die Leiste „Am Morgen" (7.00 bis 10.00 Uhr) misst sich von Wortumfang und Stil nicht mit den plärrenden Morgenshows anderer Privatsender, auch natürlich nicht mit den eindrucksvollen lnformations-Wortblöcken etwa der Kölner Sender Deutschlandfunk (DLF) und WDR Radio 5. Man hat Selbstbescheidung geplant und eine Dreistundenstrecke eingesetzt, die um die Augustmitte vor allem von den (zuweilen euphorisch wirkenden) Kurzreportagen über die Anreise der Jugendlichen zum Weltjugendtreffen nach Rom lebte, mit dem geistlichen oder auch literarischen Wort jeweils zur vollen Stunde den ganzen Tag über, kleinen Service-Hinweisen zwischendurch, den Welt-Nachrichten zur halben Stunde, dem Interview zwischen 8.00 und 8.30 Uhr mit einem meist geistlichen Gesprächspartner.
Bei den Interviews am frühen Vormittag ist der Block „Der gute Draht" (Fragen an Verantwortliche des Erzbistums), der für die Zeil zwischen 10.00 und 12.00 Uhr geplant war, offenbar zeitlich vorgezogen worden. Inzwischen haben die Interviews mit Geistlichen zwischen 8.00 und 9.00 Uhr eine wöchentliche Kontinuität und einen Titel: „Der Seelsorger der Woche". Der Betreffende spricht das „Wort um acht", und wird zwei Musiknummern später am Telefon oder im Studio zum Thema und zu persönlichen Belangen interviewt.
Die Gespräche mit einem Gemeindereferenten aus Vingst am 1. Juli oder mit dem Leiter des Hauses Altenberg am 5. Juli liefen erheblich unbefangener und flotter als etwa das Gespräch mit dem Kölner Stadtdechanten Johannes Westhoff am 8. August. Hier wurden die Schnittstellen zwischen journalistischer und theologischer Kompetenz als Binnenverkrampfungen bemerkbar. Kein Wunder damals, es ging dort um die diffizile Frage nach dem Unterschied zwischen der Gottesfurcht und dem religiösen Erschauern. Ein Gespräch am 11. August mit Weihbischof Franz Josef Bode zum Jugendtreffen in Rom wirkte dagegen auffallend geschnitten.
Standard-Geplauder (bis auf ein Gespräch mit einem Mädchen, dessen Freundin vor kurzer Zeit gestorben war) sind die kurzen Unterhaltungen von Moderator Tommy Millhome (Künstlername) mit Musikwunsch-Hören am
Samstagnachmittag von 3.00 bis 6.00 Uhr. Bei dieser Dreistundensendung wird auch etwas Hörerforschung betrieben, indem nach Ort und Postleitzahl gefragt wird. Es gibt auch vorproduzierte Hörerwünsche, nicht jeder will offenbar live in die Sendung. Hauptsächlich muss der Moderator aber die eigenen Wunschmusiken auflegen, weil die Anrufe insgesamt noch spärlich sind. Tommy Millhome ist allerdings nach dem bisherigen Hören der professionellste, lockerste Moderator im Studio.
Die Unterhaltungen auf der Leiste „Gruppen im Gespräch" mit kirchlich orientierten oder in kirchlichen Einrichtungen tätigen Gruppen sind bisher vorwiegend freundliche Vorstellungsrunden. Es wird vermutlich dann richtig interessant, wenn nach einiger Zeit Auswahlkriterien etwa auf Grund aktueller Konflikte die Gruppengespräche bestimmen.
Die Weltnachrichten des Senders werden zur halben Stunde gesendet, teils mit einem Sprecher, teils mit zweien, teils auch als O-Ton-Nachrichten. Ungewöhnlich war am 7. August um 8.30 Uhr die Meldung über den katholischen Weltbild-Verlag in Augsburg. Die machte, ebenso wie eine letzte Meldung vom Besuch von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) in Rothenburg ob der Tauber (am 15. August) die Herkunft der Welt-Nachrichten vom Münchner „Radio Dienst" etwas deutlicher, einem Schwesterunternehmen des bayerischen Mantelprogrammanbieters BLR.
Man hat, weil bei einem Bezug der Weltnachrichten vom Oberhausener Radio NRW die inhaltliche Nachbarschaft zu den privaten NRW-Lokalradios zu direkt gewesen wäre, kostenintensiv und richtigerweise auf größere Originalität gesetzt. Dass die Nachrichten im domradio-Studio selbst live gelesen werden, verschafft den Sendungen noch etliche Versprecher, aber man ist dafür inhaltlich flexibler als mit dem Einkauf von fertig gesprochenen Nachrichten. Geplant ist, künftig auch am Wochenende die Nachrichten selbst im Studio zu sprechen und dabei wie am Werktag jeweils eine kirchliche Nachricht aus dem kirchlichen Bereich einzufügen.
Der Einsatz des Jingles „domradio - der Blick nach oben" zwischen Nachrichten und Wetter fällt vor allem deswegen auf, weil es so schön doppeldeutig ist. Die Jingles (fünf sind es nach meiner Zählung) sind in ihrer Mischung aus frech und doppeldeutig eigentlich ganz nett. Sie überbrücken zuweilen lange Musikpassagen, werden allerdings zu starr eingespielt, der Computer bricht zuweilen eine Musik einfach wegen des nächsten Jingles ab. Im Unterschied zum Ludwigshafener Radio Campanile wird beim domradio die Menge des gesprochenen Wortes nicht an den Standards von öffentlich-rechtlichen Informationsradios gemessen: Es ist ein Unterhaltungsradio.
Die Musik bildet den Schwerpunkt, ihre Auswahl summt (wenn auch offenbar nicht durchgängig) vom Computer, der von dem Privatradio-Pionier Hermann Stümpert vordressiert wurde. Die Schwerpunktlage auf einem flotten, in der Regel zwischen rockig und melodisch wechselnden Musikmix macht sich abends deutlich (das mag ein sehr subjektiver Eindruck sein), auch am Sonntag, wenn nach dem vormittäglichen „Dom Radio für Kinder" und dem anschließenden Gottesdienst der Wortanteil für den Rest des Sonntags absackt.
Die Musik (ein Soft-AC-Musikformat) ist nicht gänzlich aktuell, hält aber einen Vergleich mit dem Radio NRW-Musik-Mix gut aus. In der archäologischen Terminologie unserer Tochter (15) heißt das so: „Drei Jahre alt, zwei Jahre, vier Jahre, zwei Jahre, weiß nicht genau, oh, uralt, dieses Stück etwa vier Jahre." Aber auch (wenige) ganz neue Titel hat sie entdeckt. Sie kann musikmäßig mit dem Radio leben, und das bedeutet bei einer notorischen N-Joy-Radio- und Eins-Live-Hörerin viel.
Weise Beschränkung auf das Eigene
Dass ältere Hörer mit der Musik von Dom Radio ihre Schwierigkeiten haben, leuchtet ein. Unter den bisher 600 Hörerkontakten seit dem Sendestart war dem Sender zufolge auch der Wunsch nach mehr klassischer Musik wie WDR 3 oder WDR 4 oder nach den WDR-5-Worttrennern. Die Hörer zwischen 60 und 80 hörten wegen der Themen zu, „trotz der Musik" (hier drängt sich ein entfernter Vergleich mit WDR 2 auf). Sie haben, wie betont wird, Verständnis für die Musikfarbe, die auf jüngere Hörer zielt.
Für den Sportbericht am Samstag um 17.20 Uhr leistet sich Dom Radio eine Direktschaltung in ein Bundesliga-Stadion mit einer Zusammenfassung des jeweiligen Spiels plus dem Referieren der restlichen Fußball-Ergebnisse. DFB-Vertragsempfindlichkeiten dürften keine verletzt werden. Ansonsten bemüht man sich nicht, irgendwelche Vollprogramme zu kopieren. Es gibt etwa die Zeitungskommentarspalte am
frühen Vormittag, wo übrigens auch die Autoren der Kommentare mit Namen genannt werden. Damit deckt man Politik außerhalb der Nachrichten zu einem wesentlichen Teil ab.
Es herrscht dann zum Beispiel Enthaltsamkeit bei der Wirtschaft und relative Enthaltsamkeit beim Feuilleton. Mit Ausnahmen: die Veraristaltungsvorschauen, unter denen sich auch Kultur befindet, und donnerstags nachmittags die Filmvorschauen. Bildung findet freitag-abends auf der „Kopfhörer^-Schiene statt, in der Form von Veranstaltungsmitschnitten. Das spartenselektive Vorgehen setzt das Radio nicht der Gefahr aus, im eifrig-vergeblichen Bemühen um ein Alles-Tun schlecht auszusehen, wie das zuweilen bei Radio Campanile der Fall war.
Feste Kooperationen hat das Dom Radio derzeit mit dem Münchner Radio-Dienst, eine weitere mit Radio Vatikan ist geplant, von dort sollen kirchliche Weltnachrichten und das tägliche 20-Minuten-Magazin bezogen werden. Mit dem KNA Rundfunkdienst in Bonn und dem katholischen Institut für Medieninformation (KIM) in Köln gibt es Kooperationen nach Absprache. Die kirchlichen Verbände beziehen das Dom Radio nach eigener Mitteilung des Senders mehr und mehr in ihre lnformations-modalitäten mit ein.
Einbettung des Kirchlichen in die Pop-Welt
Der Versuchung, ein Seniorenprogramm mit
betulich-frommer Patina zu konzipieren, hat man beim Dom Radio widerstanden. Es wird eindrucksvoll auf eine kirchliche Schiene auf flotter, jugendlicher, manchmal hektischer Unterhaltung gesetzt: Mit diesem Radio findet, wenn man so will, die Selbsteinbettung des Kirchlichen in das Milieu des Pop statt, wie übrigens auch bei Radio Paradiso, nur auf einer technisch bedingt erheblich kleineren Zuhörerbasis.
Das Dom Radio, von den Themen und der Herkunft der Beiträge her derzeit ein kölnischkirchlich bestimmtes Regionalradio, ist ein lebhaftes Hörfunkprogramm, mit absehbaren feierlichen Momenten, etwa am späten Abend vor zehn, wenn die Musik deutlicher als vor den anderen vollen Stunden auf langsam geschaltet wird (Dom Radio - der himmlische Hit), um das Tempo auf das „Wort um ..." zu reduzieren. Die Laudes um zehn Uhr sind in Wirklichkeit (was die bisher gehörten Sendungen anbelangt) radiogerechte Meditationen/Andachten.
Das Dom Radio ist kein fertiges Produkt. Es ist in seiner derzeitigen Gestalt ein Nebenbei-hör-Medium mit höchst unterschiedlichen Facetten. Es ist ein Ansatz im offenen Betrieb die Form zu entwickeln, die ein religiöses, ein kirchliches Radio haben soll, das sich nicht allein an die Insider, an die ohnehin schon Dazugehörigen, wendet, sondern seine Alltagsstimme im Alltag auch an die alltäglichen Hörer wendet.