Historiker fordern Einsatz bei der Bergung der Kölner Archiv-Güter

"Kulturgut von europäischem Rang"

Zwei Tage nach dem Einsturz des Kölner Historischen Archivs konnte am Donnerstag eine erste Fuhre mit Dokumenten und Archivmaterialien die Unglücksstelle in Richtung Restauratoren verlassen. Unterdessen mehren sich die Stimmen, die die Bedeutung des verschütteten Materials betonen und entsprechende Anstrengungen fordern.

 (DR)

Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs haben die Archivleiter der Hansestädte Lübeck, Hamburg und Bremen zur Rettung des verschütteten Materials aufgerufen. Bei den Kölner Archivalien handele es sich um "Kulturgut von europäischem Rang, das unersetzlich ist und zu dessen Rettung und Erhalt alle Anstrengungen unternommen werden" müssten, teilten Jan Lokers, Udo Schäfer und Konrad Elmshäuser am Donnerstag gemeinsam mit. Den Einsturz des Archivs nannten sie "eine Katastrophe, deren Folgen weit über die Stadt Köln und das Rheinland" hinausreichen würden.

Von dem drohenden Verlust einmaliger Urkunden- und Schriftgutbestände sei nicht nur die Stadt Köln, sondern auch der Hanseraum betroffen. "Sollten die Verluste in Köln so umfangreich sein, wie man befürchten muss, wäre dies der sicher größte Verlust von Kulturgut seit dem Zweiten Weltkrieg", hieß es weiter. Ein Vergleich mit dem Brand der Anna-Amalia Bibliothek 2004 in Weimar sei "mindestens angebracht". Das Kölner Archiv habe zentrale Dokumente zur Hansegeschichte verwahrt. Darunter seien unter anderem Unterlagen der Hansekontore von Antwerpen und London, aber auch Schriften zur Geschichte anderer Hansestädte.

Beispielsweise habe die Stadt Bremen im vergangenen Jahr das 650. Jubiläum ihres Hansebeitritts mit ihrer in Köln im Original überlieferten Beitrittsurkunde aus dem Jahr 1358 gefeiert. Die Archivleiter der Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg sähen sich vor diesem Hintergrund verpflichtet, "im Rahmen ihrer Möglichkeiten" bei den anstehenden Restaurierungsmaßnahmen den Kölner Kollegen Hilfe anzubieten.

"Man hat uns mitgeteilt, dass der erste Lastwagen in der Zwischenlagerung eingetroffen ist", sagte Volker Hingst vom Archivberatungs- und Fortbildungszentrum des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) am Donnerstag in Köln. Er leitet ein Team von sieben Restauratoren, die das Historische Stadtarchiv bei der Bergung und späteren Restauration der wertvollen Materialien unterstützen.

Anstrengung wie bei der Anna-Amalia-Bibiliothek
Für die aufwendigen Bergungs- und Restaurierungsarbeiten schlägt der Landschaftsverband in Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Wirtschaftsarchiv einen Hilfsfonds für das Kölner Historische Archiv vor. "Es geht um eine ähnlich gigantische nationale Anstrengung wie bei der Anna-Amalia-Bibiliothek oder der Dresdner Frauenkirche", erklärte der Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, Jürgen Wilhelm. In Berlin teilte die Kulturstiftung der Länder am Donnerstag mit, sie habe der Stadt Köln noch am Abend der Katastrophe 50.000 Euro Soforthilfe zur schnellen Sicherung des Archivbestandes in Aussicht gestellt.

Die LVR-Abteilung sei gebeten worden, von nun an vor Ort bei der Bergung mitzuwirken, sagte Hingst. Schon bald solle ein Teil der beschädigten Materialien, der aus den Schuttbergen und nicht aus den unversehrten Gebäudeteilen stammt, in das LVR-Archivberatungszentrum in Brauweiler gebracht werden. Dort werden sie gereinigt und nach Möglichkeit restauriert.

Die meisten Archivalien sind in Kisten verpackt
Das Ausmaß des Schadens sei noch nicht einzuschätzen, sagte der Leiter des LVR-Archivberatungszentrum, Arie Nabrings. "Aber es besteht durchaus noch Hoffnung", sagte er. "Die meisten Archivalien sind in Kisten verpackt." So lange es trocken bleibe, könne man Trümmer und Dokumente wieder von einander trennen. Ein Problem sei allerdings das Grundwasser, das zu Schimmelbildung führen könne.

Die Kollegen des benachbarten Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster boten ihre fachliche Unterstützung an. Die Restaurierungswerkstatt des westfälischen Landschaftsverbands mit ihrer Gefriertrocknungsanlage sei darauf spezialisiert, bei der konservatorischen Behandlung geschädigter Archivalien zu helfen, hieß es am Donnerstag. Sie habe etwa bei den Hochwasserkatastrophen in Ostdeutschland und Polen helfen können.