Historiker erwartet von kommendem Papst Missbrauchs-Aufklärung

"Anker in einer Welt, die auseinanderfällt"

Die Stichpunkte lauten Finanzen, Missbrauch und Moral. Der neue Papst kann nur mit Transparenz Vertrauen zurückgewinnen, sagt der Historiker Hubert Wolf. Er erklärt, welches Großprojekt noch auf das neue Kirchenoberhaupt zukommt.

Soutane und Pileolus für den Papst / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Soutane und Pileolus für den Papst / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Der neue Papst muss primär dafür sorgen, dass der Vatikan nicht bankrott geht. Das sagt der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Den Kardinälen sei durchaus bewusst, dass Franziskus Nachfolger die Finanzkrise des Vatikans in den Griff bekommen müsse, sagte er am Dienstag der "Neuen Züricher Zeitung". Deshalb sei ein Kurienkenner mit Verwaltungserfahrung gesucht. 

Professor Hubert Wolf, Theologe und Kirchenhistoriker / © Harald Oppitz (KNA)
Professor Hubert Wolf, Theologe und Kirchenhistoriker / © Harald Oppitz ( KNA )

Wolfs Auffassung nach braucht es heute "mehr denn je" einen Papst als "Anker in einer Welt, die auseinanderfällt". Der Papst habe zwar keine Divisionen, aber eine ungeheure moralische Autorität. Letztere könne er aber nur in die Waagschale werfen, wenn er und die katholische Kirche ihre Glaubwürdigkeit wieder gewönnen, die durch den Missbrauch verloren gegangen sei.

Wolf erklärte, dazu müsse der neue Papst als ersten Schritt alle Akten seiner letzten fünf Vorgänger zu diesem Thema in den vatikanischen Archiven freigeben. Denn: "Wer Glauben verkündet, braucht Glaubwürdigkeit. Und der oberste Garant des Glaubens, der oberste Zeuge des Glaubens ist der Papst. Und wenn der nicht glaubwürdig ist, dann glaubt ihm niemand."

Wolf: Franziskus kein Reformpapst

Der Kirchenhistoriker rechnet bis Freitagabend mit einem neuen Papst. Der müsse eine "Einheit in versöhnter Verschiedenheit" ermöglichen. Konkret würde das laut Wolf bedeuten: "Dann hätte man zum Beispiel in der Schweiz verheiratete Priester und geweihte Frauen als Diakone. Und in bestimmten patriarchalisch geprägten Kulturen Afrikas oder Asiens noch nicht. Und trotzdem wäre die Kirche als Ganzes durch den Glauben an die Auferstehung Jesu Christi verbunden."

Wolf kritisierte, Papst Franziskus sei kein wirklicher Reformer gewesen, denn er habe keine Macht delegiert und keine Macht abgegeben. Zwar habe er Themen auf den Tisch gebracht, aber letztlich habe er sich geweigert, die nötigen Konsequenzen zu ziehen: "In der Amazonas-Synode haben die Bischöfe mit einer Vierfünftelmehrheit für die Zulassung verheirateter Priester gestimmt. Franziskus hat das einfach ignoriert. Das kann er natürlich tun. Mit Reform hat das allerdings nichts zu tun."

Das, was Franziskus als Seelsorger erfahren hat, habe er als Papst nicht umgesetzt. "Und das hätte er tun müssen, denn er war Papst. Er hat eine ungeheure Vollmacht. Und eine Vollmacht, die man hat, muss man dann irgendwann auch gebrauchen", sagte Wolf. 

Papst

Der Name "Papst" (lateinisch "papa") ist ein Ehrentitel. Er wurde bis zum siebten Jahrhundert allen Bischöfen gegeben, dann aber immer stärker für den Bischof von Rom reserviert. Sie hätten also zurecht sagen können "Wir sind Papst!". Als Bischof von Rom und damit Nachfolger des Apostels Petrus ist der Papst Stellvertreter Christi, Leiter der Gesamtkirche und Haupt des Bischofskollegiums. Gleichzeitig ist er als "Chef" des Vatikanstaates auch Staatsoberhaupt.

Der Ring des Papstes, der Fischerring. Hier an der Hand von Papst Benedikt XVI. (KNA)
Der Ring des Papstes, der Fischerring. Hier an der Hand von Papst Benedikt XVI. / ( KNA )
Quelle:
KNA