Hat Chinas eiserne Faust Hongkongs Kirche im Griff?

Hirtenbrief, Zensur und Nationalfeiertag

In Hongkong greift China vor dem Nationalfeiertag am 1. Oktober eisern durch. Immer mehr Grundrechte sind durch das seit 1. Juli geltende Sicherheitsgesetz faktisch außer Kraft. Das Bistum Hongkong scheint gespalten.

Autor/in:
Michael Lenz
Messe mit Mundschutz in Hongkong / © Francis Wong (KNA)
Messe mit Mundschutz in Hongkong / © Francis Wong ( KNA )

Kardinal John Tong Hon ruft Hongkongs Katholiken in einem Hirtenbrief auf, sich nicht durch unterschiedliche politische Auffassungen spalten zu lassen.

"Katholiken, die die Kirche arrogant herausfordern oder kritisieren oder sogar Kirchenführer verleumden, geben einfach ein schlechtes Beispiel und schaffen eine Spaltung in der Kirche", heißt es in dem wenige Tage vor dem Nationalfeiertag am 1. Oktober veröffentlichten Schreiben. "Nur wenn die Gemeinschaft mit der Hierarchie erhalten bleibt, können die Katholiken den vom Zweiten Vatikanischen Konzil vertretenen 'Glaubenssinn' wirklich umsetzen", so der Interimsleiter des Bistums Hongkong.

Dem Hirtenbrief vorausgegangen war eine Serie von Anweisungen des Kardinals für Wohlverhalten. Priester wurden zum Verzicht auf "verleumderische und beleidigende Aussagen" in ihren Predigten aufgefordert, die zu "sozialen Unruhen" führen könnten. Katholische Schulen müssen künftig ihren Unterricht in "patriotischem" Sinn gestalten. Der Kommission für Frieden und Gerechtigkeit verbot Tong eine Spendenkampagne zur Finanzierung einer Zeitungsanzeige mit einem "Gebet für Hongkong".

Hongkongs Katholiken längst gespalten

Katholische Laien schalteten die Anzeige trotzdem in der chinakritischen Zeitung "Apple Daily" des katholischen Herausgebers Jimmy Lai. Hongkongs Katholiken sind längst gespalten. Die Mehrheit der Laien und Teile der Hierarchie wie Weihbischof Joseph Ha Chi-shing sowie Hongkongs emeritierter Bischof Kardinal Joseph Zen sind chinaakritische Unterstützer der Demokratiebewegung. Einige der Führungspersönlichkeiten der Bewegung wie Anges Chow oder eben Jimmy Lai sind Katholiken.

Über die Gründe für die Ermahnungen von Kardinal Tong könne man nur spekulieren, sagte der Bürgerrechtler Benedict Rogers der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in London.

"Vielleicht geschieht das auf direkten Druck Chinas oder der Hongkonger Regierung oder dem Vatikan oder allen zusammen", mutmaßt der Gründer von Hong Kong Watch, einer Organisation zur Beobachtung von Demokratie und Freiheitsrechten in der chinesischen Sonderverwaltungszone, wie sie bei der Rückgabe der Stadt durch Großbritannien an China 1997 mit dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" vereinbart worden waren.

"Vielleicht ist es aber auch vorauseilender Gehorsam", so Rogers. Hong Kong Watch gehören auch prominente Persönlichkeiten wie Lord Chris Patten an, letzter britischer Gouverneur von Hongkong.

Ein Bischofsstuhl ist leer

Das Bistum Hongkong befindet sich in einer prekären Lage: Der seit dem Tod von Bischof Michael Yeung im Januar 2019 vakante Bischofsstuhl muss neu besetzt werden. Zwischen dem Vatikan und Regierung Chinas laufen die Verhandlungen über eine Neuauflage des vor zwei Jahren bekannt gewordenen vorläufigen Abkommens über die Ernennung von Bischöfen in der Volksrepublik.

Für viele Katholiken in Hongkong ist der chinakritische Weihbischof Ha der Wunschkandidat. "Er ist aber ganz klar nicht der Favorit von Peking und Rom", ist sich Rogers sicher. Ihm wurde 2017 die Wiedereinreise nach Hongkong verwehrt. "Jetzt kann ich definitiv nicht mehr dorthin - weil das Sicherheitsgesetz auch für im Ausland begangene angebliche Verstöße gilt."

Chinas Macht in Hongkong bekamen zuletzt auch die Medien und sogenannte Dissidenten zu spüren. Joshua Wong und andere prominente Demokratieaktivisten wurden festgenommen und angeklagt. Inhaber von Presseausweisen unabhängiger Journalistenorganisationen gelten laut einer neuen Polizeirichtlinie nicht mehr als Medienvertreter.

Acht Medienorganisationen kritisierten dies gemeinsam als schwerwiegende Beeinträchtigung der Pressefreiheit und als Zeichen einer zunehmend "autoritären Herrschaft in der Stadt".

Zwölf junge Hongkonger müssen den Nationalfeiertag im Gefängnis im kommunistischen China verbringen. Die elf Männer und eine Frau waren Ende August von der chinesischen Küstenwache aufgegriffen worden, als sie per Boot nach Taiwan flüchten wollten. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam lehnt Rechtshilfe für die in China inhaftierten Bürger ab.

 

Kardinal John Tong Hon / © Harald Oppitz (KNA)
Kardinal John Tong Hon / © Harald Oppitz ( KNA )

 

Papst Franziskus empfängt (v.l.n.r.) Stephen Lee Bun-sang, Bischof von Macau; Michael Yeung Ming-cheung, Bischof von Hongkong, und Joseph Ha Chi-shing, Weihbischof in Hongkong / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus empfängt (v.l.n.r.) Stephen Lee Bun-sang, Bischof von Macau; Michael Yeung Ming-cheung, Bischof von Hongkong, und Joseph Ha Chi-shing, Weihbischof in Hongkong / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA
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