"Hinz&Kunzt": Deutschlands größtes Straßenmagazin wird 25 Jahre alt

Arbeit und eine Stimme für Obdachlose

Am 6. November 1993 erschien die erste Ausgabe des Hamburger Straßenmagazins "Hinz&Kunzt". In den vergangenen 25 Jahren hat das Magazin vielen Menschen zu einem besseren Leben verholfen. Doch es kämpft auch mit einem Auflagenrückgang.

Autor/in:
Michael Althaus
Straßenmagazin "Hinz&Kunzt" / © Maja Hitij (dpa)
Straßenmagazin "Hinz&Kunzt" / © Maja Hitij ( dpa )

Blaue Weste, Verkäuferausweis am Revers und einen Stapel Zeitungen in der Hand: So steht Jörg Petersen fast täglich vor einem Discounter in dem kleinen Dorf Hittfeld, südlich von Hamburg. Der 48-Jährige ist einer von rund 550 Verkäufern des Hamburger Straßenmagazins "Hinz&Kunzt". Im November ist es 25 Jahre her, dass die erste Ausgabe der Zeitschrift erschien, die nach Angaben der Herausgeber Deutschlands auflagenstärkstes Straßenmagazin ist und zahlreichen Verkäufern aus der Obdachlosigkeit herausgeholfen hat.

So auch Jörg Petersen: Dreieinhalb Jahre schlief er in Hamburgs Innenstadt auf der Straße. Er habe "über seine Verhältnisse gelebt" und Schulden angehäuft, erzählt er. Deshalb verlor er zuerst seine Wohnung und dann seinen Job. Mit Pfand sammeln hielt er sich zunächst über Wasser. Als ihn jemand ansprach, ob er nicht "Hinz&Kunzt" verkaufen wolle, war er zunächst skeptisch. Er wagte einen Versuch und war begeistert: "Es hat Spaß gebracht, weil ich in Kontakt mit Menschen kam", sagt er. "Plötzlich hatte ich wieder das Gefühl: Du wirst gebraucht." Zudem kam ihm der Gewinn, den er erwirtschaften konnte, gelegen: Von den 2,20 Euro, die das Magazin kostet, verbleibt die Hälfte beim Verkäufer. Manche bestreiten davon ihren Lebensunterhalt.

Schwerpunkt Kunst und Kultur

"Hinz&Kunzt" wurde 1993 vom damaligen Landespastor und Leiter des Diakonischen Werkes Hamburg, Stephan Reimers, gegründet. Vorbild war das britische Straßenmagazin "The Big Issue", das ebenfalls von professionellen Journalisten gemacht und von Obdachlosen verkauft wird. "Wir wollen, dass die Verkäufer schnell etwas auf die Hand verdienen, auf Augenhöhe sind mit ihren Kunden - und eine soziale Stimme in der Stadt sein", sagt Chefredakteurin Birgit Müller, eine Mitarbeiterin der ersten Stunde. Der Name geht auf eine spontane Idee ihrer damaligen Kollegen zurück: "Hinz und Kunz" für jedermann, der die Zeitschrift lesen soll; das "t" als Hinweis auf den Themenschwerpunkt Kunst und Kultur.

38 festangestellte Mitarbeiter arbeiten heute für das Magazin, davon vier Redakteure und drei Sozialarbeiter. Insgesamt 22 sind ehemalige Obdachlose. In seiner 25-jährigen Geschichte hat das monatlich erscheinende Heft, mehrere Skandale aufgedeckt, etwa einen großangelegten Mietbetrug in Hamburg oder prekäre Arbeitsbedingungen in einer norddeutschen Wurstfabrik. Zugleich erzählt die Redaktion aber auch immer wieder von spannenden Lebensgeschichten der Straßenbewohner und berichtet über Kunst- und Sozialprojekte. "Wir möchten kein Jammerblatt sein", sagt Müller.

Mittlerweile viele Rumänen und Bulgaren in Hamburg obdachlos

Während das Konzept des Magazins in seiner 25-jährigen Geschichte gleich geblieben ist, haben sich die Obdachlosen und ihre Probleme erheblich verändert. "In der Anfangszeit landeten vor allem viele Verlierer der Rationalisierung und der Wende auf der Straße", berichtet Müller. Menschen aus verschiedenen Teilen Deutschlands gingen nach Hamburg, um Platte zu machen. "Mittlerweile stranden viele Menschen aus Rumänien und Bulgarien auf unseren Straßen." Rund 100 der "Hinz&Kunzt"-Verkäufer stammen inzwischen aus den beiden osteuropäischen Ländern.

Die Wohnungssuche ist seit Gründung des Hefts wesentlich schwieriger geworden. "Die Lage auf dem Wohnungsmarkt wird immer angespannter", berichtet Müller. "Anfangs dauerte es nur wenige Monate, bis Obdachlose wieder eine Wohnung fanden, heute sind sie viele Jahre lang auf der Straße."


Quelle:
KNA
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