Hilfswerke und Plattformen buhlen um die Gunst der Spender

"Die freie Spende ist der Königsweg"

Der Advent ist traditionell eine Zeit des Gebens: Hilfswerke und Nichtregierungsorganisationen rechnen im letzten Jahresquartal mit mehr als einem Drittel der Spenden. Doch im Internet bekommen sie Konkurrenz.

Autor/in:
Von Paula Konersmann und Anna Mertens
Kollekte / © Harald Oppitz (KNA)
Kollekte / © Harald Oppitz ( KNA )

In Vorfreude auf das Weihnachtsfest lässt sich manches Spenderherz erweichen. Doch nicht nur die rund 2.000 spendenwerbenden Nichtregierungsorganisationen in Deutschland hoffen auf Zuwendungen:

Online-Spenden-Plattformen bieten mittlerweile jeder Einzelperson die Möglichkeit, um Geld zu bitten – für Wohltätiges und weniger Wohltätiges. Rund 100 solcher Portale sind laut Experten auf dem deutschen Markt aktiv.

Der Schneeballeffekt

Die internationale Plattform "GoFundMe" etwa wirbt mit dem Slogan "Die seriöse Spendenplattform, der Menschen vertrauen". Ein persönliches Projekt lässt sich mit wenigen Klicks einstellen: Daten zur Person eintragen, ein Bild hinzufügen und das Anliegen erklären.

Anschließend soll der Link an möglichst viele Bekannte geschickt werden, die diesen wiederum weiterleiten – der Schneeballeffekt.

Finanzierung und Verwaltung

Für den Spender entstünden keine Kosten, erklärt die Kapitalgesellschaft, die sich selbst als reine "Verwaltungsplattform" bezeichnet. Derjenige, der um Geld bittet, muss in Deutschland fünf Prozent der Summe an die Organisation abtreten, weitere 3,45 Prozent für Mehrwertsteuer und Gebühren und 25 Cent pro Spende.

Der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt. Menschen bitten um Unterstützung für Projekte einer Hilfsorganisation, bei der Finanzierung einer Krebstherapie oder der Beerdigung eines Angehörigen - sammeln aber auch für die Hochzeitsreise oder einen Musikstar. Oft wird auch um Geld für andere Einzelpersonen gebeten.

"Recht und Gesetz"

Wie die Seriosität der Projekte gewährleistet wird, bleibt unklar. Das Unternehmen verweist auf seiner Seite auf den gesunden Menschenverstand und auf "Recht und Gesetz". Eine Anfrage zur Überprüfung und eventuellen Betrugsfällen blieb unbeantwortet.

Die Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrats, Daniela Geue, verweist auf die üblichen Kriterien für eine seriöse Spende, etwa Transparenz des Zahlungsverkehrs, der Projekte sowie der Verwaltungskosten. Wenn dies nicht gewährleistet sei, bestehe ein Betrugsrisiko.

Direkt helfen

Der Reiz solcher Online-Plattform liegt aus Geues Sicht in der individuellen Ansprache. "Die Menschen möchten gerne wissen, wo ihr Geld landet und mögen das Gefühl, dass sie einem Menschen in Not direkt helfen", sagt sie. Für einige sei der anonymere Weg über ein Hilfswerk weniger ansprechend.

Das sieht die Soziologin Monika Krause ähnlich. Wer wisse, dass ein Freund, Bekannter oder Nachbar finanzielle Probleme habe, könne über eine solche Plattform zielgerichtet helfen. Zugleich könnten die neuen Formen zu einer Verstärkung bestehender Ungleichheiten führen - und sie seien anfällig für Missbrauch, warnt die Wissenschaftlerin.

Grenzen überschreiten

Außerdem: "Nächstenliebe heißt doch gerade, über die Grenzen der Leute und auch über die Anliegen hinaus, die mir besonders sympathisch sind und mich ansprechen, Unterstützungsstrukturen zu bauen."

Der Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Soziale Fragen (DZI), Burkhard Wilke, warnt davor, auf den Schneeballeffekt zu setzen. Das Internet mache es zwar möglich, den Bekanntenkreis zu erweitern – trotzdem solle jeder überprüfen, ob ein Projekt tatsächlich eine Spende verdiene.

Trügerische Schwarmintelligenz

Sich dabei allein auf die Empfehlung eines Bekannten zu verlassen, hält Wilke für nicht sinnvoll: "Von einer Schwarmintelligenz auszugehen, ist trügerisch." Eine Menschenmenge mache ein zweifelhaftes Projekt nicht seriöser.

Bei einigen Spenden-Plattformen deutet sich ein Wandel an, sagt Wilke. So konzentriere sich das gemeinnützige Portal "betterplace.org" inzwischen auf die Unterstützung für kleinere, als gemeinnützig geprüfte Projekte von Nichtregierungsorganisationen.

Der Königsweg

Transparenz steht nach eigenen Angaben an erster Stelle. Und: Seit einer Weile kann man dort gar nicht mehr für rein private Projekte sammeln.

Für Wilke sind die Professionalität und vor allem das Wissen der größeren Hilfsorganisationen dennoch nicht zu unterschätzen. Die Werke wüssten, wo das Geld am dringendsten gebraucht werde, erklärt er. Voraussetzung dafür sei, dass Spender ihr Geld ungebunden vom Zweck zur Verfügung stellten: "Die freie Spende ist der Königsweg."


Quelle:
KNA