Hilfsorganisationen wehren sich gegen Gewinn-Vorwürfe

Überschüsse aus Flüchtlingshilfe

Medien berichteten über "Millionengewinne" für Hilfsorganisationen aus der Flüchtlingskrise. Nun wehren sich die Kritisierten: Johanniter, Caritas und Co. weisen die Vorwürfe entschieden zurück. Von "Gewinnen" könne nicht die Rede sein.

Autor/in:
Rainer Nolte
Hilfswerke unterstützen Flüchtlingshilfe / © Lukas Barth (KNA)
Hilfswerke unterstützen Flüchtlingshilfe / © Lukas Barth ( KNA )

"Zum Teil Millionengewinne" sollen Hilfsorganisationen etwa in Niedersachsen über die Flüchtlingshilfe erwirtschaftet haben - so schrieb es zuletzt die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" (HAZ). Nun weisen die Helfer den Vorwurf zurück. Claudia Beck, Sprecherin des Deutschen Caritasverbandes, kann derlei Gewinne nicht bestätigen, sagte sie der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn.

Die HAZ schrieb von über 20 Millionen Euro als Ergebnis im Geschäftsbericht der Johanniter-Unfall-Hilfe in Niedersachsen für das dritte Quartal 2016. Im Folgenden berichtet das Blatt auch von einem Gewinn in Höhe von 1,8 Millionen Euro für die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) nach der Auflösung einer Firma, die der Landesverband zum Zweck der Flüchtlingsunterbringung gegründet hatte.

Momentaufnahme

Die Johanniter erklärten auf Anfrage: "Der Begriff 'Gewinne' stammt nicht von uns". Der konkrete Fall beziehe sich auf "Überschüsse" und stelle eine Momentaufnahme dar, da die Abrechnung der Projekte noch nicht abgeschlossen sei. Konsolidierte Abrechnungsergebnisse lägen noch nicht vor, so Therese Raatz von der Bundesgeschäftsstelle der Johanniter. Zudem seien die einzelnen Verbände sehr unterschiedlich stark und zu "regional differenzierten Bedingungen in der Flüchtlingshilfe aktiv".

Die Verträge für den Betrieb von Unterkünften sind laut der Johanniter unterschiedlich ausgestaltet und basieren in der Regel auf Pauschalen, denen übliche Tagessätze für den Betrieb vergleichbarer Einrichtungen zugrunde gelegt wurden. "Als die Verträge geschlossen wurden, gingen alle Beteiligten davon aus, dass eine längerfristige und umfangreiche Aktivität notwendig sein würde", so die Sprecherin.

Die Johanniter-Unfall-Hilfe sei seit Beginn der großen Flüchtlingsbewegung im Einsatz, um viele Tausend geflüchtete Menschen zu versorgen. In den Spitzenzeiten seien die Johanniter bundesweit für den Betrieb von rund 160 Flüchtlingseinrichtungen mit etwa 40.000 Plätzen verantwortlich. "Sobald die Phase der Akuthilfe abgeschlossen ist und die Abrechnungsergebnisse vorliegen, werden sich die Verbände mit den jeweiligen Auftraggebern dazu abstimmen."

Schwierige Situation mit Augenmaß

Auch der Malteser Hilfsdienst spricht von einer anfangs schwer einschätzbaren Lage, wodurch mit den Behörden zeitlich begrenzte Verträge für die Unterbringung der geflüchteten Menschen geschlossen worden seien. "Das spiegelt wider, dass in schwieriger Situation mit Augenmaß gearbeitet wurde", sagt Sprecher Dieter Schlüter. Die Verträge seien abgeschlossen worden, um Arbeitskräfte für die soziale Betreuung einzustellen, andere Firmen für Sicherheit und Versorgung zu beauftragen, sowie um Betten, Decken, Medizin und Material vorzuhalten.

"Mögliche Erträge aus allen Tätigkeiten setzen wir Malteser immer zugunsten von Menschen in Not ein - das ist unser Auftrag als gemeinnützige Organisation", erklärt Schlüter. Das gelte selbstverständlich ebenso für Projekte der Flüchtlingshilfe, die auch in absehbarer Zukunft noch viel Engagements bräuchten. "Planbar ist es nicht - ein typisches Merkmal von Flucht ist die Aktualität, die Zeitnot und der Druck", erwidert er Kritikern.

Hilfswerke in Vorleistung

Laut Caritas-Sprecherin Beck haben die Verbände während der Flüchtlingskrise in vielen Städten wie beispielsweise Köln, München oder Passau viel "gewuppt". Dabei hätten sie in Vorleistung gehen müssen: Das katholische Hilfswerk, das sich im Schwerpunkt um Betreuung und Beratung nach der Erstversorgung kümmerte, habe neue Mitarbeiter eingestellt und viele Eigenmittel beigesteuert. Der Deutsche Caritasverband habe aber keinen Gesamtüberblick über die Finanzen der regional organisierten Verbände.

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bestätigen, dass die Flüchtlingshilfe in erster Linie Sache der entsprechenden Länder und Kommunen sei, die jeweils eigene Regelungen mit den regionalen Verbänden hätten. "Wir gehen davon aus, dass - sollten Überschüsse bei der Unterbringung von Flüchtlingen anfallen - diese Gelder dazu verwendet werden, um entsprechende Ersatzmaterialien für den Katastrophenschutz zu beschaffen, und das Geld ansonsten auch wieder direkt und unmittelbar für die Flüchtlingshilfe eingesetzt wird", erklärt DRK-Sprecher Dieter Schütz. Im Übrigen sei der gemeinnützige Verein gesetzlich verpflichtet, Gelder oder etwaige Überschüsse zeitnah und ausschließlich gemeinnützig zu verwenden.

Wirtschaftliches Risiko

Schütz führte zudem aus, dass sich das DRK seit Sommer 2015 mit vielen haupt- und ehrenamtlichen Helfern bundesweit stark in der Flüchtlingshilfe engagiere. "Durch den starken Zustrom von Flüchtlingen herrschte bis in das Jahr 2016 hinein bei der Ankunft, Betreuung und Unterbringung eine beispiellose und außerordentliche Notsituation, in der es seitens der Behörden und der durchführenden Organisationen oft schlicht und ergreifend nicht möglich war, alles nach den sonst üblichen Vorgaben und Regularien abzuwickeln", erklärte er.

Das DRK ist laut Schütz in erhebliche finanzielle Vorleistung getreten - und dadurch auch ein wirtschaftliches Risiko eingegangen. "Zwar ist die Zahl der Flüchtlinge im Laufe dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen, jedoch wurden auf Wunsch der Behörden vielfach vorsorglich Unterbringungskapazitäten bereitgehalten, um auf alle Situationen vorbereitet zu sein", erklärte er. Diese Aufrechterhaltung halte das DRK auch bei der derzeitigen Lage für dringend geboten.

Eine Sprecherin des niedersächsischen Innenministeriums sagte laut HAZ, das Land prüfe, ob die Pauschalzahlungen angemessen waren. Das Land habe sich für die Zahlung von Pauschalen und Abschlägen entschieden, "um die Hilfsorganisationen zu entlasten und deren Liquidität sicherzustellen", so die Sprecherin. Gegebenenfalls werde man Geld von den Organisationen zurückfordern.


Ehrenamtliche Helfer laden Kleiderspenden ein / © Jörg Loeffke (KNA)
Ehrenamtliche Helfer laden Kleiderspenden ein / © Jörg Loeffke ( KNA )

Malteser Migranten Medizin bietet Hilfe an  (dpa)
Malteser Migranten Medizin bietet Hilfe an / ( dpa )
Quelle:
KNA