Hilfsorganisationen fordern Kursänderung in Gaza

Gegen den Stillstand

"Dies muss die letzte Konferenz zum Wiederaufbau Gazas sein. Der Kreislauf aus Zerstörung und Aufbau muss enden." So klare Worte fand UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im Oktober 2014 in Kairo.

Autor/in:
Paula Konersmann
Zerstörtes Haus in Gaza-Stadt (dpa)
Zerstörtes Haus in Gaza-Stadt / ( dpa )

Dort fand die vorerst letzte Geberkonferenz für das Krisengebiet im Nahen Osten statt. Jetzt, ein halbes Jahr danach, werfen 46 Nichtregierungsorganisationen den Teilnehmern vor, es habe sich kaum etwas getan. "Die feierlichen Reden auf der Kairoer Geberkonferenz waren nicht viel mehr als leere Worte", sagt etwa der Nahost-Referent von Oxfam Deutschland, Robert Lindner.

100.000 Menschen obdachlos

"Einen neuen Kurs festlegen. Den Stillstand in Gaza überwinden", heißt der neue Bericht, den Organisationen wie Ärzte der Welt, Handicap International, die Heinrich-Böll-Stiftung, Medico International und Oxfam heute in Berlin vorstellen. Der letzte Ausbruch des Konflikts zwischen Israel, der Hamas und anderen bewaffneten Palästinensergruppen habe beispiellose Zerstörung und menschliches Leid hervorgebracht, heißt es darin. Nach den Kämpfen des vergangenen Sommers habe die Zivilbevölkerung zusätzlich unter dem harten Winter gelitten: Aufbauarbeiten mussten unterbrochen werden, vier Menschen kamen während eines Sturms im Januar ums Leben. Dem Bericht zufolge sind 100.000 Menschen in Gaza momentan ohne Obdach, für über 81 Prozent der Krankenhäuser fehlt die nötige Finanzierung. Zudem verhindern Einfuhrbeschränkungen, dass Hilfsprojekte beginnen können. Seit Januar wurden nur an 36 von über 260 beschädigten und zerstörten Schulen Reparaturarbeiten durchgeführt.

Nur ein Drittel der zugesagten Mittel bereitgestellt

Bei ihrer Konferenz in Kairo im vergangenen Oktober hatten die Geberstaaten 3,5 Milliarden US-Dollar für Hilfsmaßnahmen in Gaza in Aussicht gestellt. Nach Angaben der Hilfsorganisationen wurden davon bislang 26,8 Prozent bereitgestellt. Die EU hat demnach 348 Millionen angekündigt und bislang laut Weltbank 141 Millionen gegeben. Die Regierungen müssten nun dringend handeln, fordert das Bündnis der Nichtregierungsorganisationen. "Sonst haben die dort lebenden 1,8 Millionen Menschen keine Chance, dem Teufelskreis aus Not, Gewalt und Zerstörung zu entkommen", sagte der Medico-Repräsentant in Israel und Palästina, Riad Othman. Die Weltgemeinschaft könne die Blockade Gazas beenden.

Verletzungen des Völkerrechts

Zudem fordern die Hilfswerke, dass die Kriegsparteien für ihre Verletzungen des humanitären Völkerrechts zur Rechenschaft gezogen werden. Auch sollten die Geberstaaten stärker auf Palästina einwirken, den Aufbau effektiver zu koordinieren. "Alle Parteien sollten sofort die Verhandlungen für einen langfristigen Waffenstillstand wieder aufnehmen", so die zentrale Empfehlung des Berichts. Nur dann könnten ein nachhaltiger Wiederaufbau und langfristige Sicherheit für Israelis wie Palästinenser erreicht werden.

Gespräche über Einhaltung der Menschenrechte gefordert

Der norwegische Außenminister Borge Brende hatte in Kairo betont, es müsse ein "radikal neuer Weg" beschritten werden, um ein Gleichgewicht in Gaza zu erreichen. Der aktuelle Bericht schlägt konkrete Schritte vor. Gespräche über Menschenrechte etwa würden mit Israel bislang oftmals nur in inoffiziellen Gremien geführt, mit der Hamas würden viele Beteiligte die Gespräche ganz ablehnen. Beides müsse sich ändern: "Eingeschränkter Kontakt kann den Zugang und die Einrichtung humanitärer Programme untergraben." Auch Frauen müssten in künftige Verhandlungen verstärkt einbezogen werden. Von Israel und der Hamas fordern die Organisationen, sich an internationales Recht zu halten. Es sei insgesamt ein Politikwechsel notwendig, so der Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Palästina und Jordanien, Rene Wildangel. Fast 60 Prozent der Einwohner Gazas seien Kinder und junge Menschen, die derzeit weder reisen könnten noch Jobaussichten hätten. "Der Gazastreifen braucht dringend Zukunftsperspektiven."

 


Quelle:
KNA