Hildegard Burjan in Wien selig gesprochen

Selige Sozialpionierin

Österreichs erste Parlamentarierin Hildegard Burjan ist selig. Im Wiener Stephansdom verlas Kurienkardinal Amato das Seligsprechungsdekret des Papstes. "Gott gibt uns den Verstand, damit wir die Not einer Zeit, die Ursachen der Not, die Mittel, die zur Abhilfe führen, erkennen", zitierte der Wiener Erzbischof, Kardinal Schönborn, die neue Selige in seiner Predigt.

 (DR)

Das sei auch der Grund für ihr politisches Engagement gewesen. Volles Interesse für die Politik und entsprechendes Handeln gehörten für Burjan zum praktischen Christentum. "Nichts Frömmelndes, keine Schaustellung ihres Inneren, sondern das Sehen der Not, das Hinschauen, das Zupacken, das vernünftige soziale Handeln: das hat ihr über Parteigrenzen hinweg hohe Anerkennung eingebracht", hob der Kardinal in seiner Predigt hervor.



Vorbild für das Reformprogramm der Erzdiözese Wien

Die Kirche stelle sie als Selige nun ausdrücklich als Vorbild hin. Ihrem Vorbild nachzueifern, heiße "in die Schule Jesu" zu gehen. Genau das sei auch das "Reformprogramm" für die Erzdiözese Wien. "Die selige Hildegard Burjan hat gezeigt, dass dieser Weg in der Lebensschule Jesus wirklich die Welt verändern kann", hob der Wiener Erzbischof in seiner Festpredigt hervor.



In Vertretung von Papst Benedikt XVI. hatte Kardinal Angelo Amato, Präfekt der Seligsprechungskongregation, am Sonntagnachmittag im Wiener Stephansdom die Zeremonie vorgenommen.



Gedenktag ist am 12. Juni

Das Leben Burjans sei ein "schönes Zeugnis für das Evangelium", sagte der Papst am Sonntag nach dem Angelus-Gebet auf dem Petersplatz. Burjan habe Frauen um sich geschart, die bis heute notleidenden Menschen Trost und Hilfe geben. Er rief die Gläubigen auf, dem Vorbild der neuen Seligen nachzueifern.



"Nach dem Beispiel von Hildegard Burjan lasst auch uns Boten der helfenden Liebe Gottes sein." Ihren Gedenktag setzte der Papst auf den 12. Juni, den Tag nach ihrem Todestag, eines jeden Jahres fest. Aus Burjans deutscher Heimatstadt Görlitz nahm eine große Abordnung mit Bischof Wolfgang Ipolt und Altbischof Rudolf Müller an der Spitze teil.





Gründerin der Schwesterngemeinschaft "Caritas Socialis"

Die aus einer jüdischen Familie stammende Görlitzerin war Gründerin der Schwesterngemeinschaft "Caritas Socialis". Die Organisation mit Stammsitz in Wien unterhält Pflegeheime sowie ein Hospiz und ist in der Ausbildung für Sozialberufe engagiert. 1909 trat Burjan zum Katholizismus über. Nach ihrer Übersiedlung nach Wien gründete sie 1912 den "Verband christlicher Heimarbeiterinnen" und 1919 "Caritas Socialis". Im gleichen Jahr zog sie als erste weibliche Abgeordnete der Christlichsozialen Partei in den österreichischen Nationalrat ein. Ihr besonderer Einsatz galt der Gleichberechtigung der Frau in der Arbeitswelt.



Angesichts des laufenden kirchlichen Reformprozesses sei Burjans Seligsprechung für die Erzdiözese Wien "zur rechten Zeit", unterstrich Schönborn zu Beginn der Woche. Die Kirche müsse heute neu buchstabieren, was Jüngerschaft und Nachfolge Jesu bedeuten. "Dazu brauchen wir keine Theorien, sondern Vorbilder." Mit ihrem sozialen Einsatz führe Burjan vor Augen, wie Christsein heute aussehen könne, so Schönborn weiter. Dass der karitative Bereich heute zu den kirchlichen Wachstumsbereichen gehöre, sei ein wichtiger Hinweis für die Zukunft der Kirche.