Heribert Prantl wird 70 und schreibt eine Autobiografie

Publizist mit vielen Etiketten

Was tut ein Vielschreiber und Vielgelesener zu einem runden Geburtstag? Er verfasst ein Buch. Heribert Prantl, 70, räsoniert über sein Leben als politischer Journalist und Katholik. Sein bisher persönlichstes Werk.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Professor Dr. Heribert Prantl / © Nina Tenhumberg (Tenhumberg Fotografie)

Dass der langjährige Leitartikler der "Süddeutschen Zeitung" seit über vier Jahren in Rente ist, mindert seine publizistischen Aktivitäten kaum. Zum 70. Geburtstag am 30. Juli hat Heribert Prantl sich selbst ein Geschenk gemacht: ein Buch, was sonst. Es heißt "Mensch Prantl". Der Autor nennt es "ein autobiographisches Kalendarium".

Prantl privat

Den zwölf Monaten eines Jahres widmet der Oberpfälzer je ein Kapitel mit einem Thema, in dem er politische Ereignisse mit persönlichen Erlebnissen verflicht. Plaudernd, aber wohldosiert gewährt er Einblicke in Beziehungen und Begebenheiten, die ihn geprägt haben – Prantl privat.

Als meinungsstarker Kommentator ist er nie um ein Urteil über andere verlegen. Selbst haftet ihm das Etikett "linksliberal" an. Dabei eilte dem katholischen Regensburger Staatsanwalt und Richter 1988 vor dem Eintritt in die SZ-Redaktion dort ein ganz anderer Ruf voraus: als "beinharter Rechter und provinzieller Finsterling", der unbedingt verhindert werden müsse.

Der Schreibtisch von Heribert Prantl / © Angela Krumpen (ak)
Der Schreibtisch von Heribert Prantl / © Angela Krumpen ( ak )

Leidenschaftliche Verteidigungsreden 

Die Skepsis der Kollegen habe sich bald gelegt, schreibt Prantl, dafür sei sie beim damaligen Chefredakteur Dieter Schröder gewachsen. Der hatte sich von seiner neuen Berufung offenbar anderes erwartet: flammende Plädoyers für den starken Staat. Stattdessen bekam er leidenschaftliche Verteidigungsreden für bedrohte Grundrechte.

Prantls Zweitberuf hat nach seiner Darstellung maßgeblich mit Oma Maria zu tun. Die habe Briefe noch mit der Tintenfeder geschrieben. Unter ausgewanderten Verwandten und Bekannten forschte sie in den USA nach dem Schicksal ihres im Zweiten Weltkrieg verschollenen Sohnes, der auf einem U-Boot gedient hatte. Eines Tages brachte die Post der Großmutter ein dickes Kuvert, darin ein Foto: "Darauf sah ich einen mir fremden Mann, der Blumen niederlegte vor einem Grabstein, auf dem 'Oskar Prantl' stand."

Ausbildung am ifp 

Für Prantl war diese Recherche ein Erweckungserlebnis. Als 15-Jähriger beginnt er für drei Lokalzeitungen zu schreiben; mit seinem jüngeren Bruder als Fotograf betreibt er bald ein kleines Journalistenbüro. Erst der Bericht vom Gemeinderat, dann Hausaufgaben. Dass er schließlich bei der "SZ" gelandet ist, führt Prantl auch auf die Fürsprache des Münchner Jesuiten Wolfgang Seibel zurück. Der war Gründungsdirektor der katholischen Journalistenschule ifp, wo Prantl parallel zum Jurastudium Kurse besuchte.

Linksliberal und katholisch ist eine Melange, die in Deutschland rar geworden ist. Warum bleibt er noch in der Kirche, wo doch so viele gehen? "Weil ich aus meinem Leben nicht austreten kann." Der Nittenauer war Messdiener, Sternsinger und er mimte etliche Male den heiligen Nikolaus. Die dafür gelernten Verse kann er bis heute auswendig, das Buch hält dazu köstliche Anekdoten bereit.

Heribert Prantl als Karikatur an der Wand / © Angela Krumpen (ak)
Heribert Prantl als Karikatur an der Wand / © Angela Krumpen ( ak )

Geht mit Kirche auch streng ins Gericht

Als Kommentator kann Prantl mit der Kirche streng ins Gericht gehen. 2010 hielt er die Laudatio bei der Verleihung des Negativpreises "Verschlossene Auster" an die katholische Kirche wegen deren Informationspolitik zum Missbrauchsskandal. Zur "Persona non grata" hat ihn das aber nicht gemacht. 2018 gab es den katholischen Medienpreis für seine Leitartikel zu christlichen Hochfesten.

Bei allem heiligen Zorn, den er über kirchliche Missstände empfindet und auch zum Ausdruck bringt, kann Prantl aber immer noch Sätze schreiben wie: "Kirche ist für mich nicht einfach nur eine hierarchisch organisierte Institution. Sie ist das, was es ohne sie nicht gäbe. Es gäbe nicht die Räume der großen Stille und des großen Innehaltens, die ich liebe und in denen ich mich auch in fremden Städten zu Hause fühle."

Hegen ohne zu hätscheln

Ein Frömmler ist Prantl bestimmt nicht, ein Frommer aber sehr wohl. Das zeigt sich nicht erst im April-Kapitel, in dem es um Ostern geht, sondern schon im Abschnitt davor. Der führt vom Weltfrauentag am 8. März über Frauenwahlrecht und Gleichberechtigung im Grundgesetz zu seiner Mutter. Diese habe mit Leben gefüllt, was der Prophet Jesaja über Gott gesagt habe: "Ich will Euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet." Wenn sie am Krankenbett ihrer drei Buben Nächte durchwachte, Tränen abwischte und mit ihnen betete.

Hegen ohne zu hätscheln, das tut Prantls Mutter-Gott mit seinen Kindern. "Es ist ein Glück, wenn man daran glauben, es ist ein noch größeres Glück, wenn man das spüren kann."

Quelle:
KNA