Helau und Halleluja - Erstmals wird ein westfälischer Pfarrer Karnevalsprinz

"Christe müsse och jeck sin künne"

Der neue Prinz "Volker I." wird mit einem dreifachen "Nu Man Tau - Helau" begrüßt. Gleich nach seiner Ernennung verkündet er mit rotem Umhang und Prinzenkette sein Programm. Zur Begeisterung der westfälischen Jecken im Saal singt er: "Es gibt reichlich Segen, wenn wir jetzt loslegen - Halleluja, Helau." Mit Volker Neugebauer hat der Karnevalsverein "Wir vom Schienenstrang" im westfälischen Beckum-Neubeckum erstmals einen evangelischen Pfarrer zum Prinzen gekürt.

Ein Pfarrer als Prinz:  (epd)
Ein Pfarrer als Prinz: / ( epd )

"Wir haben gemerkt, dass bei ihm eine gewisse Freude an Karneval und dem, was damit verbunden ist, vorhanden ist", begründet Vereinspräsident Rudi Linnemann die Ernennung Neugebauers. Außerdem sei er bereits beim ökumenischen Gemeindekarneval Prinz gewesen.

Erweiterung des Missionsgebiets
Jetzt erweitere er sein "Missionsgebiet". Dass Neugebauer in diesem Jahr 44 Jahre alt wird - vier Mal die karnevalistische Zahl 11, habe ihn natürlich zusätzlich qualifiziert, schmunzelt Linnemann. Vermutlich ist Neugebauer der erste protestantische Pfarrer in Westfalen, der Prinz in einem regulären Karnevalsverein ist, möglicherweise sogar der erste in NRW. Dem Landeskirchenamt in Bielefeld ist zumindest kein weiterer Fall bekannt. Die "fünfte Jahreszeit" gilt bislang auch eher als Domäne von katholischen Gemeinden. Schließlich entspringt der Karneval aus der katholischen Tradition, als Phase des gesteigerten Genusses vor der Fastenzeit.

Bis Rosenmontag werden der Prinz und sein Elferrat durch Kindergärten, Seniorenzentren und Pflegeheime Neubeckums tingeln, um etwas gute Laune zu verbreiten, beschreibt Neugebauer seine Aufgaben.

Sein Engagement sieht er auch als Chance für die Kirche, einmal anders wahrgenommen zu werden. "Es macht aber auch Spaß", gesteht er. Der Gütersloher Superintendent Detlev Reichert wirkt zwar nicht ganz glücklich über einen protestantischen Karnevalsprinzen. Das sei aus einem ökumenischen Engagement entstanden, wo der Pfarrer "eine hervorragende Arbeit geleistet" habe, erkennt er aber an. "Wenn das eine gute Auswirkung hat, ist es in Ordnung."

Neugebauer hat bereits seit fünf Jahren den Karneval in seine Kirche geholt. Vor Rosenmontag hält er einen karnevalistischen Gottesdienst mit einer gereimten Predigt. "Da ist die Kirche gerammelt voll", erzählt der Theologe. Seit Jahren marschiert er auch Seite an Seite mit den katholischen Kollegen in der Fußtruppe im örtlichen Rosenmontagszug mit. Die katholische und evangelische Gemeinde Neubeckums feiern außerdem jedes Jahr gemeinsam einen ökumenischen Gemeindekarneval.


Bislang die Ausnahme
In Westfalen gelten evangelische Veranstaltungen zum närrischen Treiben nach wie vor als Ausnahmen. "Wenn man das in unserer Kirche einführen wollte, wäre das verkrampft", meint auch der Münsteraner Pastor und Karnevalist Jürgen Hülsmann. Der Theologe leitete vor rund zehn Jahren einmal eine Gala-Prunksitzung des örtlichen Karnevalsvereins und wurde mit einem Karnevalsorden ausgezeichnet.

Früher trotzten die Protestanten auch im Rheinland dem Karnevalstreiben, einer Domäne der Katholiken. Doch das hat sich vor einigen Jahren grundlegend geändert. Egal, ob man katholisch oder evangelisch sei, man komme in Köln nun mal nicht um den Karneval herum, erklärte der Kölner Stadtsuperintendent Ernst Fey. Seit 1997 haben die Protestanten in Köln sogar eine eigene Karnevalssitzung, die "PROT's Sitzung", bei der das Kirchenkabarett "Klüngelbeutel" und das Pfarrerballett "Beffchen Funken" auftreten.


Eigener Wagen beim Rosenmontagszug
Zur guten Tradition gehört es für Fey inzwischen auch, das Kölner Dreigestirn zu empfangen. Auf seine Initiative hin wird die evangelische Kirche beim diesjährigen Rosenmontagszug außerdem erstmals mit einem eigenen Wagen vertreten sein. Er soll auf den Deutschen Evangelischen Kirchentag hinweisen, der vom 6. bis 10. Juni in Köln ausgerichtet wird. "So viele Menschen, wie wir mit dem Wagen erreichen, würden wir mit Broschüren gar nicht kriegen", erzählt Fey begeistert.
Dass Karneval eine katholisch geprägte Veranstaltung sei, werde inzwischen nicht einmal mehr von den Karnevalisten selbst so gesehen.

"Karneval macht allen Menschen Freude", erklärt Fey die grenzüberschreitende Wirkung. Vor fünf Jahren erschien ein Buch über den Flirt von fünfter Jahreszeit und evangelischer Kirche mit dem viel versprechenden Titel "Rheinische Karnevalstheologie". "Christe müsse och jeck sin künne", heißt es in einem der Beiträge.