Haushaltsloch und Präses-Suche fordern westfälische Kirche

"Einige Monate die Pausetaste drücken"

Die westfälische Kirche muss nach dem Rücktritt von Annette Kurschus nicht nur die Nachfolge im Präses-Amt regeln. Große Probleme bereitet vor allem eine prekäre Finanzlage, die womöglich grundlegende Veränderungen erfordert.

Autor/in:
Ingo Lehnick
Tagung der Synode der EKD / © Stefan Puchner (dpa)
Tagung der Synode der EKD / © Stefan Puchner ( dpa )

Wenige Tage nach dem Rücktritt von Präses Annette Kurschus muss die Evangelische Kirche von Westfalen die nächste Hiobsbotschaft verkraften: Wegen drastischer Kostensteigerungen und eines großen Finanzlochs geht die viertgrößte deutsche Landeskirche erstmals ohne genehmigten Haushalt in das neue Jahr. Die Landessynode beschloss am Samstagabend zum Abschluss zweitägiger Beratungen, den Etat der landeskirchlichen Ebene mit Bedingungen und Auflagen zu versehen, unter anderem gilt eine Haushaltssperre.

Haushaltsloch

"Wir werden jetzt für einige Monate die Pausetaste drücken müssen", sagte der Präses-Stellvertreter Ulf Schlüter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es brauche grundlegende Strukturveränderungen. Vom sogenannten Allgemeinen Haushalt der landeskirchlichen Ebene für 2024 sind knapp 48,3 Millionen Euro durch Kirchensteuereinnahmen gedeckt. Um diesen Etat auszugleichen, müssen jedoch weitere rund 14,4 Millionen Euro aus Rücklagen entnommen werden.

Zur nächsten Landessynode im Mai muss nun ein Haushaltssicherungskonzept vorgelegt werden, "das erkennen lässt, dass der Ausgleich des Haushalts sowie die mittelfristige Sicherstellung der Liquidität schnellstmöglich, spätestens mit der Planung 2028, wieder erreicht werden kann".

Harte Einschnitte erwartet

Die Kirchenleitung wurde ferner beauftragt, einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Hauptgrund für das Finanzloch sind höhere Ausgabenplanungen. Allein Tarifsteigerungen machen rund neun Millionen Euro aus, auch höhere IT-Kosten tragen zum Defizit bei. Finanzdezernent Arne Kupke kündigte die Diskussion harter Einschnitte bei der Frühjahrssynode im Mai an.

Aus Kirchensteuern erwartet die westfälische Kirche kommendes Jahr Netto-Einnahmen in Höhe von 548 Millionen Euro, für 2023 wurde mit 520 Millionen Euro geplant. Die 26 Kirchenkreise und 442 Gemeinden erhalten von den Einnahmen im nächsten Jahr 311,4 Millionen Euro. Sie sind von dem Defizit im Allgemeinen Haushalt nicht direkt betroffen.

Interne Konflikte

Finanzchef Kupke wurde von der Synode für weitere acht Jahre als leitender Jurist der Landeskirche bestätigt. Bei der Wahl zum Juristischen Vizepräsidenten erhielt der 53-Jährige allerdings mit 57 Prozent der Stimmen eine deutlich geringere Zustimmung als bei seiner ersten Wahl im Jahr 2015, als 89 Prozent der Synodalen für ihn stimmten. Zuvor war ein Antrag abgelehnt worden, die Wahl zu verschieben. Mehrere Synodale sagten, es falle ihnen schwer, in der aktuellen komplexen Lage eine Entscheidung zu treffen.

Hintergründe sind die prekäre Finanzlage und die Turbulenzen um den Kurschus-Rücktritt am vergangenen Montag. Dass der Finanzdezernent angesichts eines letztlich gescheiterten landeskirchlichen Haushalts im Fokus von Kritik stehe, sei nicht überraschend, sagte Schlüter dem epd. Zudem seien interne Konflikte der Kirchenleitung im Umgang mit dem mutmaßlichen Missbrauchsfall im Kirchenkreis Siegen medienöffentlich geworden.

Nachfolge unklar

Kurschus war nach Vorwürfen mangelnder Transparenz im Umgang mit dem Fall als westfälische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurückgetreten, sie hatte enge Kontakte zu dem Beschuldigten. Über ihre Nachfolge als leitende Theologin der westfälischen Landeskirche entscheidet die Landessynode vermutlich auf ihrer nächsten Tagung im Mai, auch eine Sondersynode ist derzeit nicht ausgeschlossen. Über ihre Nachfolge im EKD-Ratsvorsitz entscheidet die EKD-Synode voraussichtlich auf ihrer nächsten Tagung im November 2024.

Zum Auftakt der Landessynode am Freitag hatte die westfälische Kirche die Verdienste der 60-jährigen Theologin gewürdigt und "umfängliche Aufklärung" des mutmaßlichen Siegener Missbrauchfalls versprochen, der den Rückzug der Theologin ausgelöst hatte. Nötig seien nun ein Innehalten und eine gründliche und selbstkritische Betrachtung aller Vorgänge.

Zur Person: Annette Kurschus

Die Theologin Annette Kurschus war seit November 2021 Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit oberste Repräsentantin der rund 19,7 Millionen deutschen Protestanten. Seit 2012 stand Kurschus bereits als Präses an der Spitze der Evangelischen Kirche von Westfalen.

* Geboren am 14. Februar 1963 in Rotenburg an der Fulda

* 1983: Studium der Evangelischen Theologie in Bonn, Marburg, Münster und Wuppertal

* 1993: Gemeindepfarrerin in Siegen

 * 2001: Synodalassessorin (stellvertretende Superintendentin) im Kirchenkreis Siegen

Annette Kurschus / © Sina Schuldt (dpa)
Annette Kurschus / © Sina Schuldt ( dpa )
Quelle:
epd