Adveniat zieht Bilanz ein Jahr nach Amazonien-Synode

Hat die Welt den Amazonas schon wieder vergessen?

Große Aufbruchstimmung gab es im Oktober 2019 im Vatikan: Bischöfe und Experten aus aller Welt beraten über die Zukunft des Amazonas. Ein Jahr später sind viele ernüchtert, nicht nur wegen Corona. Was ist geblieben von der Synode?

Papst Franziskus bei einer Zeremonie mit Indigenen aus dem Amazonasgebiet / © Vatican Media (KNA)
Papst Franziskus bei einer Zeremonie mit Indigenen aus dem Amazonasgebiet / © Vatican Media ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Erwartungen an die Amazonas-Synode vor einem Jahr waren sehr groß. In Deutschland lag der Fokus sehr stark auf neuen Wegen, wie der Zulassung von verheirateten Männern zur Priesterweihe oder neuen Ämtern für Frauen. Waren das die Kernfragen der Synode?

Pater Michael Heinz (Hauptgeschäftsführer von Adveniat): Der Synode ging es vor allem erst einmal um den Schutz des gemeinsamen Hauses, das ist ja ein großes Anliegen von Papst Franziskus, spätestens seit "Laudato si", seiner Umwelt- und Sozialenzyklika. Er hat uns nochmal gesagt: Wie können denn die Menschen, vor allen Dingen die Indigenen, die im Amazonas leben, geschützt werden? Da greift auch die Frage der ganzheitlichen Ökologie mit ein. Und auch: Wie kann die Kirche sozusagen neben der Option für die Armen und die Jugend auch eine Option für die Schöpfung und die Indigenen treffen? Und dann natürlich auch ein eigenes "amazonisches Gesicht" haben, das war ein großes Anliegen auf der Synode. Die Kernfrage: Wie kann die Kirche sich besser inkulturieren, in diesen großen Raum, der Lunge der Welt.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet denn "ganzheitliche Ökologie"?

Heinz: Eines der Hauptthemen der Synode war, dass es nicht nur um den Umweltschutz geht, wenn wir die Natur anschauen, sondern auch um die Menschen, die dort vor Ort leben. Der Papst betont damit gerne, wie wichtig es ihm ist, dass Mensch und Schöpfung im Einklang, im Frieden leben. Er hat das auch in "Laudato si" nochmal in seiner Enzyklika dargestellt. Alles ist im Grunde genommen mit allem verbunden. Und dieses "alles ist mit allem verbunden" war auch ein großes Thema während der Synode. Man hat immer wieder auch auf die Verbindungen und die Netzwerke hingewiesen. Und das ist so ein richtiger Schlager geworden. Es wurde auch ein Lied, und wir haben es ja auch selber in diesem Jahr gerade gemerkt in der Corona-Zeit, wie alles auf alles Auswirkungen hat und wie wir auch mit den Menschen in den weiten Teilen der Welt miteinander verbunden sind.

DOMRADIO.DE: War das Ergebnis der Synode denn für die Menschen in Amazonien hilfreich?

Heinz: Ich denke, im letzten Jahr, wenn wir einmal zurückschauen, direkt nach der Synode, in den ersten Monaten danach, hat es sicherlich weltweit Aufmerksamkeit erregt, dass der Papst sozusagen die Ränder mitten ins Zentrum genommen hat. Die Synode hat ja in Rom stattgefunden und war ja eine regionale. Es ging ja um Amazonien, um einen regionalen Raum. Das hat erst einmal Vorteile für die Menschen gebracht, sicherlich einen besseren Schutz, eine bessere Vernetzung sogar weltweit. Adveniat ist als Lateinamerikahilfswerk Teil des kirchlichen Amazonas-Netzwerkes REPAM. Dies merkt man, das wird sich weiter ausdehnen. Dies hat auch den Menschen erst einmal den Vorteil gebracht, dass sie direkt in den Fokus nicht nur von uns gerückt sind, sondern auch weltweit in den Medien. Und dann kam natürlich leider Corona dazwischen und hat die ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aber ich denke, das wissen wir ja auch, die Lunge der Welt, der Amazonas-Raum ist wichtig für uns, und er kommt ja jetzt auch wieder in den Fokus.

DOMRADIO.DE: Ein Jahr nach der Synode hört man aus dem Amazonasgebiet wenig Gutes. Vor allem wird gerodet, der Wald wird immer kleiner. Hat die Welt den Amazonas denn schon wieder vergessen?

Heinz: Ja, fast könnte man das meinen, weil, wie gesagt, die Corona-Krise sicherlich da Auswirkungen hat. Aber ich spüre, obwohl wir das hier in den deutschen Medien nicht so stark mitbekommen, dass sich sehr viel tut, also auch in diesen schwierigen Zeiten. Und dass die Menschen gerade vor Ort gestärkt wurden durch diese Synode. Sie nehmen selbst stärker jetzt ihr Schicksal in die Hand und bekommen natürlich auch, und sollen ja auch Unterstützung von uns bekommen. Wir dürfen unsere Augen nicht vor den Umweltsünden verschließen, die ja nicht nur bei uns getan werden, sondern auch dort. Und unsere Jugend in Fridays for Future, die weist uns ja immer wieder darauf hin.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus hat vergangenen Sonntag seine neue Enzyklika "Fratelli tutti" veröffentlicht. Gibt es auch in diesem Dokument einen Widerhall der Amazonas-Synode?

Heinz: Ja, er greift auch in "Fratelli tutti" die Themen auf, die die Synode noch ganz dick unterstrichen hat. Da ging es ihm im letzten Jahr vor allen Dingen um das Zuhören und den Dialog. Und das ist auch ein ganz wichtiges Thema, das er in "Fratelli tutti" wieder bringt. Und auch das Thema, dass wir alle miteinander verbunden sind, dass die Weltgemeinschaft, die er ja in der Enzyklika unterstützt, nur überleben kann, wenn wir uns gemeinsam - der eine um die andere - kümmern. Also alle Schwestern und Brüder sind, so wie er das ja in der Enzyklika, die am Sonntag vorgestellt wurde, auch sagt. Wir sind auch alle miteinander und füreinander verantwortlich. Und deswegen unterstreicht er auch noch einmal ganz deutlich die Solidarität, die ja so wichtig ist für uns, aber auch ganz besonders für die Menschen in Amazonien und in Lateinamerika.

Das Gespräch führte Carsten Döpp.


Pater Michael Heinz / © Henning Schoon (dpa)
Pater Michael Heinz / © Henning Schoon ( dpa )
Quelle:
DR
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