Hanns-Josef Ortheil über seinen Roman "Der Typ ist da"

"Im Dom bin ich den Drei Königen sehr nah"

"Entscheidend ist nicht die Frage, ob die Reliquien im Kölner Dom von den Drei Königen stammen", sagt Hanns-Josef Ortheil. "Entscheidend ist, dass der Glaube daran, den Dom möglich gemacht und die Menschen wahnsinnig verändert hat. Das ist die Wirklichkeit des Glaubens". Im domradio.de Interview spricht der Schriftsteller über seine enge Beziehung zum Kölner Dom, die auch in seinem neuen Roman "Der Typ ist da" eine zentrale Rolle spielt.

Hanns-Josef Ortheil vor dem Kölner Dom / © domradio
Hanns-Josef Ortheil vor dem Kölner Dom / © domradio

In "Der Typ ist da" holt Hanns Hans-Josef Ortheil einen jungen Pilger aus dem Mittelalter in unsere Zeit. Matteo pilgert von Venedig zu den Heiligen Drei Königen im Kölner Dom. In Köln trifft er auf drei junge Frauen, die gar nicht wissen, wie ihnen geschieht, als sie den Pilger kennenlernen. "Das sind die beiden Welten, die aufeinandertreffen und die für mich ganz entscheidend sind, also die alte Welt mit ihren eigenen Riten und Ritualen und die moderne, junge Welt, die dagegensteht", sagt der Schriftsteller Ortheil. "Ich schaue, was machen die beiden Welten miteinander. Das ist doch das spannende an einem Roman - zu verfolgen, wie beide Welten aufeinander zugehen und wie beide miteinander Neues entwickeln".  

"Schauen, zeichnen, schweigen"

Matteo pilgert aus Gründen nach Köln, die schon mittelalterliche Pilger bewegten, sich auf den Weg zu machen. Meistens waren es Leid und Unglück, Krankheit und Tod, die einen Pilger damals veranlassten, sich auf die Reise in die Heiligen Städte zu machen. So auch bei Matteo. "Für ihn ist eine Notsituation eingetreten, weil er seinen Vater bei einem Unfall verloren hat", erzählt Ortheil, "aus dieser Not heraus entschließt er sich, diese Reise anzutreten, um das, was er in Venedig erlebt und erlitten hat, auch von außen zu sehen. Er sucht Heilung außerhalb seiner Heimat, weil er dort zu sehr mit dem Tod des Vaters beschäftigt ist". Im Kölner Dom beginnt der gelernte Restaurator Matteo, Details in der Kathedrale zu zeichnen. ´Schauen, zeichnen, schweigen´, das ist sein spirituelles Konzept. "Er will sich den Dom aneignen", sagt Ortheil über seinen Romanhelden. "Deswegen geht er fast jeden Tag dorthin, beginnt die Figuren zu zeichnen und alles zu beobachten, was in und um den Dom geschieht".

Spiritualität, die trägt

In Köln findet der etwas eigenwillige Pilger Matteo Unterkunft in der WG von drei Frauen. Hier kommt der Alltag der modernen Welt ins Spiel. Die drei Frauen verstehen Matteo nicht, sind aber von ihm fasziniert und wollen ihm auch nah sein. "Diese drei Gegenspielerinnen beobachten ihn auch sehr genau. Und sie kommentieren in ihren modernen, schnellen Worten sein Verhalten. Also zunächst einmal mit Unverständnis und aus der Distanz, dann aber auch sehr interessiert, weil sie so einen Menschen mit diesen Konzentrationsgebärden noch nicht kennengelernt haben". Der Pilger löst in den Frauen, die etwas verloren im Leben hängen, etwas aus. Sie beginnen sich Fragen zu stellen, große Lebensfragen. "Sie werden immer unsicherer in ihren eigenen modernen Haltungen," erzählt Ortheil. "Bisher haben sie so ein ´laissez faire´ des Lebens praktiziert. Auf einmal überlegen sie, was würde es für mich bedeuten, wenn ich so konzentriert leben würde, wie Matteo lebt".

Der Kölner Dom als zweite Heimat

Hanns-Josef Ortheil stellt mit seinen Romanfiguren auch uns die Frage: Wie wir leben wollen? Gibt es eine Spiritualität, die uns trägt? Ruhe findet Matteo im Kölner Dom, dort durchdringt er die Oberfläche des alltäglichen Seins. Im Roman nennt Ortheil das ´Vertiefung´. "Jemand geht in sich und lebt nicht nur nach außen, sondern hört und schaut in sich hinein, vertieft sich in seine Umgebung und in sich, um da stabile Ziele für das weitere Leben zu finden". Der Pilger Matteo findet im Kölner Dom, in der Nähe der Heiligen Drei Könige eine zweite Heimat, die Drei Könige berühren ihn. Und auch der Autor bekennt, im Kölner Dom sei er den Drei Königen sehr nah. "Das ist für mich nicht nur die Verbindung zum Süden, sondern auch weiter ins Mittelmeer, bis zum frühen christlichen Raum", schwärmt Hanns-Josef Ortheil. "Das ist doch unsere alte christliche Erzählung, die beginnt im Osten des Mittelmeers, setzt sich über den Süden fort und kommt in den Norden. Was gibt es denn Schöneres zu glauben, als dass es diese großen Linien gibt, die die Kontinente und Meere verbindet?"