Hagia Sophia wird wieder Moschee

"Sorgen von Millionen Christen nicht gehört"

Nach langem Streit hat ein türkisches Gericht den Status der Hagia Sophia als Museum zurück genommen, binnen 30 Tagen soll die ehemalige byzantinische Kirche wieder zur Moschee werden. Deutliche Kritik kommt aus der orthodoxen Kirche.

Blick in den Innenraum der Hagia Sophia in Instanbul / © Tatiana Popova (shutterstock)
Blick in den Innenraum der Hagia Sophia in Instanbul / © Tatiana Popova ( shutterstock )

Das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei hat einem Bericht zufolge den Weg frei gemacht, damit das berühmte Gebäude Hagia Sopha in Istanbul künftig als Moschee genutzt werden kann. Das Gericht annullierte am Freitag den Status der einstigen Kirche als Museum. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag. Eine Begründung der Entscheidung lag zunächst nicht vor.

Wann das Gebäude zum ersten Mal als Moschee genutzt wird, ist noch unklar. In Medien wurde als Datum der 15. Juli - der Jahrestag des Putschversuchs in der Türkei - genannt. Nach Angaben der Zeitung "Hürriyet" wird die Gerichtsentscheidung innerhalb der nächsten 30 Tage umgesetzt.

Vor der Hagia Sophia in der Istanbuler Altstadt sammelte sich spontan eine Gruppe Befürworter der Entscheidung. Sie riefen "Allahu Akbar!" ("Gott ist groß!"). Die Polizei sperrte den Platz vor der Hagia Sophia ab. Beamte der Einsatzpolizei brachten sich in Stellung, es blieb aber zunächst ruhig.

Der Religionsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Grübel (CDU) sieht die Umwandlung kritisch. "Ich bedaure sehr, dass die Hagia Sophia nun ausschließlich einer Religion zum Gebet zur Verfügung gestellt wird", sagte Grübel. "Das Gebäude hat eine tiefgreifende historische Bedeutung sowohl für das Christentum als auch für den Islam. Bei einer Statusänderung sollte es als Ort der Begegnung und des Austausches zwischen beiden Religionen dienen."

Zusammengehörigkeit von Muslimen und Christen stärken

Ähnlich äußerte sich die Deutsche Bischofskonferenz: "Der Beschluss des Gerichts und die aktuelle Verlautbarung des türkischen Präsidenten bergen demgegenüber die Gefahr in sich, dass die Hagia Sophia künftig wieder als Symbol religiösen 'Raumgewinns' gedeutet werden könnte", sagte Sprecher Matthias Kopp: "Wir werben deshalb für eine politische Entscheidung, die die Einheit des Landes und das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Muslimen und Christen stärkt, statt Bitterkeit zu schüren und Fliehkräfte zu begünstigen."

Die Unesco bedauert die Entscheidung der türkischen Behörden zur Hagia Sophia. Diese sei ohne vorherige Erörterungen mit der Weltkulturorganisation erfolgt, erklärte Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay in Paris. Seit 1985 stehen die Hagia Sophia und andere historische Bauwerke Istanbuls auf der Unesco-Liste für das Weltkulturerbe.

Kritik von Patriarch Kyrill I.

Die russisch-orthodoxe Kirche kritisiert die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee. "Wir müssen feststellen, dass die Sorgen von Millionen Christen nicht gehört wurden", sagte Kirchensprecher Wladimir Legoida der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Es sei "sehr schade", dass der Appell des Moskauer Patriarchen Kyrill I. für eine Beibehaltung des Museumsstatus des Sakralbaus in der Türkei unbeachtet geblieben sei, betonte Legoida gegenüber der Agentur RIA Novosti.

Das Oberhaupt der mit Abstand größten orthodoxen Landeskirche hatte am Montag erklärt: "Jeder Versuch, das tausendjährige geistige Erbe der Kirche von Konstantinopel zu entwürdigen oder zu verletzen, wurde und wird vom russischen Volk - sowohl früher als auch jetzt - mit Bitterkeit und Empörung wahrgenommen. Eine Bedrohung der Hagia Sophia ist eine Bedrohung für die gesamte christliche Zivilisation, also für unsere Spiritualität und Geschichte". Jeder zivilisierte Staat habe die Pflicht, die Gesellschaft zu versöhnen und nicht zu spalten.

Russische Abgeordnete hatten sich ebenfalls kategorisch gegen eine Nutzung der Hagia Sophia als Moschee ausgesprochen. Der Kreml äußerte sich dagegen diplomatischer. Es handele sich um eine innere Angelegenheit der Türkei, sagte Präsidentensprecher Dmitri Peskow am Montag. Die Hagia Sophia gehöre zum Weltkulturerbe und habe einen hohen spirituellen Wert. "Wir erwarten natürlich, dass all dies von unseren Kollegen und Partnern berücksichtigt wird", betonte er.

Hintergrund des Urteils

Der Status des Bauwerks ist ein Politikum. Anhänger der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP fordern seit langem, die Hagia Sophia wieder zur Moschee zu machen. Vor allem Griechenland und Russland sind wegen der Bedeutung der Hagia Sophia für die Orthodoxie gegen eine Änderung des Status. Die Entscheidung könnte die Spannungen zwischen der Türkei und dem Nachbarn Griechenland weiter verschärfen, die sich ohnehin schon um Erdgas im östlichen Mittelmeer streiten.

Die Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit) wurde im 6. Jahrhundert nach Christus erbaut und war Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, in der die Kaiser gekrönt wurden. Nach der Eroberung des damaligen Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 wandelte Sultan Mehmet II. ("Der Eroberer") die Hagia Sophia in eine Moschee um. Auf Betreiben des türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk ordnete der Ministerrat im Jahr 1934 die Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum an.

Hinter dem Verein, der gegen diesen Beschluss geklagt hatte, steht nach Angaben von Anadolu ein pensionierter Lehrer, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee zu erwirken. Der Anwalt des klagenden Vereins, Selami Karaman, bestätigte die Entscheidung auf Anfrage der dpa zunächst nicht.

Auch als Moschee könnten Touristen die Hagia Sophia besichtigen, ähnlich wie die nahe gelegene Blaue Moschee in der Istanbuler Altstadt. Im vergangenen Jahr zog die Hagia Sophia nach offiziellen Angaben 3,7 Millionen Besucher an. Sie war damit das meistbesuchte Museum in der Türkei.

Berühmt ist sie vor allem wegen der rund 56 Meter hohen Kuppel, die nahezu schwerelos über dem Hauptraum zu schweben scheint. Im Inneren sind die Wände mit byzantinischen Mosaiken und Marmor verziert. Um dem Bilderverbot im Islam gerecht zu werden, müssten die Mosaiken während des islamischen Gebets abgedeckt werden.


Recep Tayyip Erdogan / ©  Uncredited/POOL Presidency Press Service (dpa)
Recep Tayyip Erdogan / © Uncredited/POOL Presidency Press Service ( dpa )
Quelle:
dpa , KNA