Händels krasse Psalmenvertonung "Dixit Dominus“

Knochen werden brechen

"Er zerschmettert Könige am Tage seines Zorns“ – Psalm 110 zeichnet von Gott das Bild eines Kriegers, der auch vor Gewalt gegenüber seinen Feinden nicht zurückschreckt. Eine besonders eindrucksvolle Vertonung ist Georg Friedrich Händel vor rund 300 Jahren gelungen.

 (DR)

Er schrieb sie in jungen Jahren, zu einer Zeit, als er sich sein Handwerkszeug als Komponist durch Reisen und Studien aneignete.  Aus diesem Grund hielt er sich zu dieser Zeit in Italien auf und daher lassen sich viele musikalische Einflüsse des Landes auf den 22jährigen Komponisten in dem Werk erkennen. Die Deutung des Textes durch farbige Musik steht an erster Stelle, Händel probiert viel aus, um den martialischen Text musikalisch zu deuten.

Die 30 Minuten der Psalmvertonung wirken wie eine Vorwegnahme des kompositorischen Wirkens Händels in späteren Jahren. In seinen Opern und Oratorien findet sich genau die gleiche Tonmalerei, die er in der lateinischen Vertonung des Psalms bereits zeigt.

Psalm 110 thematisiert zwei Dinge: die Treue-Zusage Gottes an seine Anhänger und die Beschreibung Gottes als Krieger. Händel unterteilt den Psalm in 9 Abschnitte und variiert dabei die Besetzung. Insgesamt setzt er 5 Gesangssolisten, fünfstimmigen Chor und Orchester ein. Während der erste Teil des Psalms noch recht versöhnlich daher kommt, rückt bald das Bild des gewalttätigen Kriegsgottes in den Vordergrund. Fast bedrohlich wirkt die Musik an der Stelle "Confregit in die irae suae reges“. Der lateinische Text heißt übersetzt: Der Herr zerschmettert Könige am Tage seines Zornes. Permanent wiederholen die Streicher und der Generalbass ein durchlaufendes Motiv, während die 5 Stimmen des Chores immer wieder einsetzen, in einer für die Barockzeit sehr kühnen Harmonik.

Kaum vorstellbar, aber Händel schrieb diese Musik für den katholischen Vespergottesdienst, vermutlich in Rom. Als Protestant und deutscher Komponist griff er die Musik Italiens auf und schuf schon mit Psalm 110 ein Meisterwerk, das wie ein frühes Versprechen auf seine spätere erfolgreiche Zeit als Opernkomponist in England wirkt. Händel als Wanderer zwischen Ländern und Konfessionen – das zeigt sich bereits in seinem Frühwerk. Die Tonmalerei in Psalm 110 treibt er geradezu auf die Spitze. Gott häuft die Toten, die Häupter zerschmettert er weithin auf Erden, so heißt es in Vers 6. Auch an dieser Stelle zeigt Händel bereits sein großes kompositorisches Geschick. Das Zerschmettern fasst er schon fast unerträglich deutlich in Musik.

Neben all den martialischen Stellen schenkt Händel den Zuhörern aber auch wunderbare Moment voller musikalischer Anmut.  Im letzten Vers des Psalms entwirft er das friedliche Bild, dass Gott aus dem Bach am Wege trinkt, wie es im Psalm heißt. Wasser als Lebens-und Friedensquelle, diese Aussage versöhnt etwas mit dem vorherigen Kriegslärm.

Die Psalmvertonung zeigt, dass Händel sich intensiv mit der katholischen Kirchenmusik auseinandergesetzt hatte, er zitiert beispielsweise mehrmals den Gregorianischen Choral, schreibt Passagen, die an die katholische Renaissancemusik erinnern. Händel verfasste insgesamt nur wenig geistliche Musik, diese Psalmvertonung aber setzte direkt zu Beginn seiner Karriere in Kompositionstechnik, Schwierigkeitsgrad und Tonmalerei neue Maßstäbe.

CD-Tipp:

"Dixit"

Georg Friedrich Händel
Dixit Dominus HWV 232

Antonio Caldara
Missa dolorosa
Crucifixus a 16 voci

Balthasar-Neumann-Chor
Balthasar-Neumann-Ensemble
Leitung: Thomas Hengelbrock

 

(Erstausstrahlung: 14.06.2015, Wiederholung: 05.06.2016)