Gunther Geltinger über seinen Roman "Moor“

Der Tanz der Libelle

"Jedes Auslöschen birgt in sich das Entstehen von etwas Neuem“, sagt Gunther Geltinger im domradio.de Interview. Am Ende seines Romans "Moor“ stirbt der Held der Geschichte. "Die Wasserleiche wird aber von anderem Leben besiedelt. So entsteht in seinem Körper ein neues Universum – die ewigen Kreisläufe der Natur siegen“.

Gunther Geltinger / © Jürgen Bauer/Suhrkamp Verlag
Gunther Geltinger / © Jürgen Bauer/Suhrkamp Verlag

Gunther Geltinger erzählt in "Moor“ die Geschichte von Dion, der dreizehnjährige Junge wächst in einem Dorf am Rande einer Moorlandschaft auf. Er stottert, er wird von den anderen in der Schule ausgeschlossen. Auch seine alleinerziehende Mutter kann ihm keine Wärme geben, sie benutzt und demütigt ihn. Dion zieht sich ins Moor zurück und findet dort eine Welt, die ihm eine Sprache gibt und  auffängt.

"Das wilde, unheimliche, das zischelnde Moor ist heute längst gezähmt“, sagt Geltinger: "Es ist ein Zeit- und Naturmuseum mit fest angelegten Besichtigungspfaden“. Der Autor spielt in seinem Roman mit den Legenden und Geschichten, die das wilde Moor über die Jahrhunderte hervor gebracht hat. Es wird zu einer Metapher für die Kindheit, für das Kind, das sprachlos ist und erst lernt sich zu begreifen – mit Hilfe der Legenden und Geschichten, die es sich über die Kindheit erzählt.

Und dann ist da die Libelle, der Tanz der Libelle, der nur einen Sommer dauert. Sie gehört zum Sehnsuchtsort von Dion, der im Gegenüber seiner Traumlandschaft einen Ort findet, der zu ihm spricht, der ihm eine Sprache gibt, die er im Dorfleben nicht hat. Gunther Geltingers Roman "Moor“ erzählt in ergreifender Weise vom selig unordentlichen Land der Kindheit, das immer in uns bleibt und, auch wenn es so scheint, nie untergeht.