Der zweite Strafrechtssenat des BGH wird in diesem Zusammenhang entscheiden, ob der bekannte Patientenrechtsanwalt Wolfgang Putz in einem Sterbehilfefall zu Unrecht wegen versuchten Totschlags verurteilt worden ist. Das Landgericht Fulda hatte gegen Putz am 30. April vergangenen Jahres eine neunmonatige Haftstrafe auf Bewährung sowie eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 Euro verhängt.
Hintergrund war der Tod der 77-jährigen Erika K. in einem Pflegeheim im hessischen Bad Hersfeld Anfang 2008. Nach einer Hirnblutung lag die Frau fast viereinhalb Jahre dort im Wachkoma und wurde über eine Bauchsonde künstlich ernährt. Ein gebrochener Arm wurde ihr nicht mehr operiert, sondern amputiert, weil sie ihn nach Einschätzung der Krankenhausärzte ja nicht mehr brauche.
Eine Besserung ihres Gesundheitszustandes war nicht mehr zu erwarten. Mündlich soll Erika K. ihrer Tochter und ihrem Sohn im September 2002 noch mitgeteilt haben, dass in solch einem Fall lebensverlängernde Maßnahmen nicht getroffen werden sollten. Denn sie wolle in Würde sterben. Sowohl die Angehörigen als auch der Hausarzt befürworteten - anders als das Pflegeheim - Ende 2007 bei Erika K., die künstliche Ernährung einzustellen.
Im Streit mit dem Heim ließ sich die Tochter von Rechtsanwalt Putz vertreten. Schließlich stimmte das Heim einem Ende der künstlichen Ernährung zu. Als diese abgestellt war, machte die Heimleitung allerdings wieder einen Rückzieher und wollte die künstliche Ernährung wieder aufnehmen.
Putz riet daraufhin der Tochter, die Magensonde direkt oberhalb der Bauchdecke abzuschneiden, damit Erika K. sterben könne. Nach dem Durchtrennen des Schlauches verständigte das Heim die Polizei, kurze Zeit später verstarb die 77-Jährige.
Das Landgericht Fulda sprach die Tochter vom Vorwurf des versuchten Totschlags frei. Sie habe sich in einem "Verbotsirrtum" befunden. Sie habe nach Rücksprache mit ihrem Anwalt "geglaubt, das sei erlaubt". Putz habe dagegen seinen Rat, die Magensonde zu durchschneiden, zu schnell getroffen. Er habe sich des versuchten Totschlags "durch aktives Tun" schuldig gemacht.
Antwort Patientenverfügung
Patientenanwalt Putz will vor dem BGH seinen Freispruch erreichen. Grundlage seines Rates, die künstliche Ernährung abzubrechen, sei allein der Wille der Angehörigen und von Erika K. gewesen.
Mittlerweile hat auch die Politik auf das Problem reagiert. Im Juni 2009 hat der Bundestag das Patientenverfügungsgesetz beschlossen. Danach können Patienten eine Patientenverfügung erlassen, in der sie ihren Willen schriftlich festlegen, wann Ärzte und Betreuer eine medizinische Behandlung abbrechen können, wenn der Patient nicht mehr selbst über sich entscheiden kann. Dennoch herrscht bei Ärzten und Betreuern große Unsicherheit, unter welchen Voraussetzungen lebensverlängernde Maßnahmen beendet werden dürfen.
Die Katholische Kirche hatte sich vor der Entscheidung des Bundestages dagegen ausgesprochen, das Thema gesetzlich zu regeln.
Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sterbehilfe erwartet
In Würde sterben
Wann darf eine Behandlung todkranker, nicht mehr entscheidungsfähiger Menschen in Deutschland abgebrochen werden? Diese Frage will der Bundesgerichtshof in Karlsruhe an diesem Mittwoch in einem Grundsatzurteil beantworten.
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