Grüne wollen Reformen beim Staat-Religionen-Verhältnis

"Die religionspolitische Landkarte wird bunter"

Die Grünen wollen bei ihrem Parteitag an diesem Wochenende über ein religionspolitisches Papier entscheiden. Darin werden Reformen beim Verhältnis von Staat und Religionen gefordert. So sollen Nicht-Gläubige stärkeres Gehör finden.

Autor/in:
Birgit Wilke
Grüne wollen über Religionspapier abstimmen / © Marc Müller (dpa)
Grüne wollen über Religionspapier abstimmen / © Marc Müller ( dpa )

Lange und heftig haben die Grünen debattiert und um Formulierungen gerungen. Schließlich galt es, Positionen von Atheisten, Agnostikern, Christen und Angehörigen anderer Religionen zusammenzubringen. Im März legte eine von der Partei eingesetzte Kommission ihren Abschlussbericht vor und präsentierte Vorschläge für eine mögliche Neujustierung des Verhältnisses von Staat zu Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften vor. Am strittigsten waren die Themen kirchliches Arbeitsrecht und Kirchenfinanzen. Am Wochenende wollen die Grünen bei ihrem Parteitag in Münster darüber abstimmen.

Zwei Jahre lange Beratungen

In der Kommission haben sich 24 Grünenpolitiker fast zwei Jahre lang in zehn Sitzungen mit dem Thema beschäftigt. Den Vorsitz hatte die Berliner Landesvorsitzende Bettina Jarasch, die auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist. Außerdem dabei waren die Bundesvorsitzende Simone Peter, die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der religionspolitische Sprecher Volker Beck.

Zudem brachten Muslime und Vertreter des kirchenkritischen Arbeitskreises "Säkulare Grüne" ihre Positionen ein.

Ausgangspunkt war ein parteiinterner Streit darüber, wie das Staat-Religionen-Verhältnis neu austariert werden kann und wo etwa Konfessionslose ihren Platz finden können. In dem Bericht spricht die Kommission von der "religiös-weltanschaulichen Landkarte Deutschlands", die individueller und pluraler werde, während die Bedeutung der Volkskirchen abnehme.

Kritik am kirchlichen Arbeitsrecht

Daraus folgern die Grünen unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht entspreche nicht mehr der Lebenswirklichkeit. Sie erneuern daher ihre Forderung nach einer Reform und verweisen auf die Koalitionsfreiheit - also das Recht von Arbeitnehmern, sich etwa zu Gewerkschaften zusammenzuschließen - und das daraus abgeleitete Streikrecht.

Weiter tritt das Gremium für die Ablösung der Staatsleistungen an die großen Kirchen ein. Auch diese Forderung ist nicht neu, und schon lange sperren sich auch die Kirchen nicht mehr grundsätzlich gegen eine solche Lösung. Zugleich ist die Kommission realistisch:

Angesichts der großen Summen, um die es gehe, sei dieser Weg schwierig. Sie schlägt deshalb vor, "de facto Ablösungen" voranzutreiben, die es schon in einzelnen Bundesländern gebe, etwa durch Abgeltungen von Baulastansprüchen für kirchliche Gebäude.

Auch ihr Plädoyer für eine Abschaffung des Blasphemieparagrafen wiederholen die Grünen. Für geistige Auseinandersetzungen um angebliche Gotteslästerung solle man nicht das Strafrecht bemühen.

Kirchensteuer im Fokus

Uneins ist sich die Partei beim Thema Kirchensteuer: Ein Teil der Kommission will am System des Einzugs durch den Staat festhalten, ein anderer stellt dies in Frage. Da es derzeit im Bundestag keine verfassungsändernde Mehrheit gebe, so die Kommission, plädiert sie für Reformen innerhalb des Systems: Beim Einzug der Steuern sollen die Bundesländer etwa selbst entscheiden, ob das Finanzamt oder die Kirchen diese einziehen.

Für Vertreter anderer Religionen, aber auch für Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, wollen die Grünen mehr Rechte: Ob dies mit dem bestehenden Religionsverfassungsrecht möglich sei, müsse diskutiert werden. Zugleich aber stellen sie klar, dass die vier großen muslimischen Verbände (Ditib, Islamrat, Zentralrat der Muslime und der Verband der Islamischen Kulturzentren) derzeit nicht die vom Grundgesetz genannten Anforderung an eine Religionsgemeinschaft erfüllen. Sie seien lediglich "religiöse Vereine".

Kritisch äußern sich die Grünen dazu, dass der Staat bei öffentlichen Gedenkveranstaltungen ausschließlich auf die christlichen Konfessionen zurückgreife. Dies habe "eine vereinnahmende Dimension, die religionsfreie oder andersgläubige Menschen ausgrenzt". Daher müsse man nach Alternativen suchen.

Katholische Kirche kritisiert Pläne

Die katholische Kirche in Deutschland lehnt unterdessen Pläne der Grünen zur Reform des kirchlichen Arbeitsrechtes und des Religionsverfassungsrechtes ab. Auch ohne Streikrecht sein man in der Kirche zu guten Lösungen für Mitarbeiter und Arbeitgeber gekommen, sagte der Leiter des Katholischen Büros, Prälat Karl Jüsten, der Onlineausgabe der in Münster erscheinenden Bistumszeitung "Kirche+Leben". Es gebe eine "sehr hohe Tarifbindung" kirchlicher Einrichtungen.

Der Leiter des Katholischen Büros wandte sich auch gegen das Vorhaben der Grünen, Tanzverbote an stillen Tagen wie Karfreitag zu lockern und dabei den Kommunen einen größeren Spielraum zu geben. "Wenn man jetzt die Zuständigkeit auf die Kommunen verlagern würde, bestünde die Gefahr einer kleinteiligen Zersplitterung in unserer Gedenk- und Feiertagskultur", sagte Jüsten. Die Feiertagsregelungen sollten möglichst einheitlich sein und dabei auch die geltenden Regelungen für die stillen Tage bewahren.

Auch eine von der Partei geforderte Streichung des sogenannten Blasphemie-Paragrafen im Strafrecht lehnte Jüsten ab. "Eine solche Regelung in Zeiten abzuschaffen, in denen auch bei uns Menschen wegen ihres religiösen Bekenntnisses angegriffen werden, halten wir für unklug." Ziel des Paragrafen 166 sei es nicht, Blasphemie unter Strafe zu stellen. "Sondern es geht darum, ob durch eine bestimmte Äußerung der öffentliche Frieden in unserem Land bedroht ist."

Dass die Grünen die Bedeutung von Religion im öffentlichen Raum anerkannt hätten, sei zu begrüßen, erklärte Jüsten weiter. Auch habe sich die Kommission der Partei grundsätzlich zum kooperativen religions- und weltanschauungsfreundlichen Religionsverfassungsrecht in Deutschland bekannt. "Gleichwohl erkennen wir natürlich im Detail, dass sie das, was sie vorneweg in der Präambel sagen, so nicht übersetzen."


Quelle:
KNA , epd