Symbolträchtiges Treffen von Marx und Habeck

Grüne und Bischöfe verbindet eine wechselvolle Beziehung

Einzelne Grünen-Politiker und katholische Bischöfe können schon lange gut miteinander. Das Treffen von Kardinal Marx und Grünen-Chef Habeck markiert nun ein neues Kapitel einer turbulenten Geschichte.

Autor/in:
Von Ludwig Ring-Eifel
Robert Habeck (l.) und Reinhard Kardinal Marx / © Michael Kappeler (dpa)
Robert Habeck (l.) und Reinhard Kardinal Marx / © Michael Kappeler ( dpa )

"Je mehr sich die Ökopartei zur dritten bundesweiten Volkspartei mausert, desto mehr wird sich auch ihr Verhältnis zu den Großkirchen normalisieren", prophezeite die Zeit-Beilage "Christ und Welt" im Jahr 2011. Damals waren die Grünen in Baden-Württemberg nach der Atomkatastrophe von Fukushima stärkste Partei geworden. Acht Jahre später trafen sich am vergangenen Freitag in Berlin erstmals ein möglicher grüner Kanzlerkandidat - Robert Habeck - und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zu einem ausführlichen Gespräch.

Gemeinsamkeiten in der Sozialpolitik

Neben dem Fototermin gab es eine gemeinsame Presseerklärung. Darin hieß es, man habe über Fragen einer werteorientierten Politik und die Veränderung der parteipolitischen Landschaft gesprochen. In der Sozialpolitik stimme man in vielem überein - etwa darin, dass Märkte den Menschen dienen müssten, nicht umgekehrt. Beide Seiten nannten zudem die Bekämpfung von Kinderarmut, eine Verbesserung der Altenpflege sowie die Bekämpfung von Wohnungsnot als Kernfragen einer global gerechteren Gesellschaft.

Insgesamt sei das Gespräch geprägt gewesen von dem "Respekt vor den jeweiligen Wertepositionen". Man wolle die offene Gesellschaft und die freiheitliche Demokratie stärken. "Das Menschenbild der katholischen Soziallehre und ein aufgeklärter Humanismus machen dies zu einer gemeinsamen Aufgabe", heißt es in dem streckenweise fast schon philosophisch formulierten Statement.

Ablehnung der Grünen in den 80ern

Angesichts der neuen Harmonie scheint fast vergessen, was beide Seiten trennt und wie schwer sie sich lange Zeit miteinander taten. In den frühen 1980er Jahren, als die Grünen bundesweit die Parlamente enterten, war die katholische Kirche in der alten Bundesrepublik noch ein ziemlich kompakter schwarzer Block mit enger Bindung an CDU und CSU. Ihre prominentesten Köpfe waren Kardinal Joseph Höffner und Erzbischof Johannes Dyba.

Der Gesprächsfaden mit der jungen Ökopartei, die stets die Forderung nach völliger Freigabe der Abtreibung unterstützte, riss früh ab. Zwar gab es hier und da Arbeitsgruppen "Christen bei den Grünen", doch auf Bundesebene gab Höffner die Parole aus, Grüne seien für Katholiken nicht wählbar. Zum geflügelten Wort wurde die Aussage des damaligen Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Hans Maier (CSU), von 1986, das Tischtuch zwischen den Grünen und der katholischen Kirche sei zerschnitten. Kurz zuvor hatte sich die Partei für die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 218 ausgesprochen.

Keine Einladung an Grüne zum Katholikentag

Grünen-Politiker wurden bis 1990 nicht zu Katholikentagen eingeladen. Und noch 2007 lieferten sich der Grüne Volker Beck und Kardinal Joachim Meisner heftige Verbal-Attacken, die in Becks Vorwurf gipfelten, der Kölner Erzbischof agiere wie ein "Hassprediger".

Dennoch engagierten sich weiter eine große Zahl junger und auch älterer Katholiken bei den Grünen oder grün-nahen Bürgerinitiativen gegen Kernkraftwerke oder Atomraketen und für die Bewahrung der Schöpfung. Inzwischen bekommen die Grünen in alten katholischen Hochburgen wie Köln, Trier oder Münster mehr Stimmen als die CDU.

Konfessionsloser Grünen-Chef

Und so war die Ausgangsposition für das Spitzengespräch in Berlin eine deutlich andere als bei den Fernduellen von Grünen und Bischöfen vor gut 30 Jahren. Während Habeck, der übrigens nach eigener Aussage keiner Kirche angehört, auf einer Umfragewelle wachsender Zustimmung segelt, ist die von Marx geführte Kirche mit Mitgliederschwund, internen Richtungsdebatten und einer Glaubwürdigkeitskrise konfrontiert. Dennoch ist die katholische Kirche mit etwa 23 Millionen Mitgliedern weiterhin die größte weltanschauliche Gemeinschaft in Deutschland - und für die Grünen angesichts ihrer wachsenden bundesweiten Macht-Perspektiven ein wichtiger Gesprächspartner.

Gemeinsam für Schöfpungsbewahrung

Die inhaltlichen Schnittmengen sind, wie das Gespräch abermals zeigte, beachtlich. In zentralen Fragen wie Bewahrung der Schöpfung und Kapitalismuskritik decken sich viele Positionen. Der Perspektivwechsel in Rom unter Papst Franziskus hat dies weiter begünstigt. Doch es gibt auch weiterhin Dissens. Die härtesten Konfliktlinien verlaufen auf dem Feld der sexuellen Selbstbestimmung.

Sie ist den Grünen gewissermaßen in die DNA eingeschrieben, und auch ihre Forderung nach einem "Recht auf Abtreibung" gehört in diesen Kontext. Sollte eine mögliche grün-rot-rote Mehrheit den bisherigen deutschen Kompromisspfad der "rechtswidrigen aber straffreien" Abtreibung mitsamt der Beratungspflicht verlassen, kämen auf die Beziehung zwischen Bischöfen und Grünen neue Belastungsproben zu.


Quelle:
KNA
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