Gründung des Weltkirchenrats vor 60 Jahren

Öffnung angestrebt

Genf, die Wirkungsstätte des Reformators Johannes Calvin, galt früher als "protestantisches Rom". Heute hat dort der größte Zusammenschluss der nicht-katholischen Christenheit seinen Sitz: Der Ökumenische Rat der Kirchen, vor 60 Jahren am 23. August 1948 in Amsterdam gegründet.

Autor/in:
Jan Dirk Herbermann und Stephan Cezanne (
 (DR)

Der Ökumenische Rat repräsentiert mit seinen 349 Mitgliedskirchen rund 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern. An den 500. Geburtstag des Reformators erinnert das Calvin-Jahr 2009.

Auch heute sollten die Mitgliedskirchen den Weltbund als Forum ernst nehmen, um mit globaler Perspektive reden und handeln zu können, hofft die hannoversche Bischöfin Margot Käßmann. Sie selbst gehörte viele Jahre den Gremien des Weltkirchenrates an. "Dem ÖRK selbst wünsche ich den Mut, die Mitgliedskirchen damit zu konfrontieren, dass ihre Spaltung oft ein Hindernis für ihr Zeugnis ist", sagte sie Anfang des Jahres zur offiziellen Geburtstagsfeier.

Nach außen bieten die Kirchen derzeit ein Bild der Einheit
Zum Weltkirchenrat zählen die meisten orthodoxen Kirchen, zahlreiche Kirchen aus den historischen Traditionen der protestantischen Reformation - wie Anglikaner, Baptisten, Lutheraner, Methodisten und Reformierte. Während der Ökumenische Rat in den Anfangszeiten von europäischen und nordamerikanischen Kirchen geprägt war, setzt sich die Mitgliedschaft derzeit vorwiegend aus Kirchen in Afrika, Asien, der Karibik, Lateinamerika und dem Nahen Osten zusammen.

Nach außen bieten die Kirchen derzeit ein Bild der Einheit. Der jahrelange Streit der konservativen orthodoxen Mitglieder mit liberaleren westlichen Kirchen scheint beigelegt. Projekte wie die nächste ÖRK-Vollversammlung verlangen ein konzentriertes Miteinander.

Der Weltkirchenrat plane für das nächste christliche Großtreffen im Jahr 2013 eine Öffnung gegenüber anderen christlichen Organisationen, sagte der Ökumeneexperte und evangelische Bischof Martin Hein (Kassel). Hein ist Mitglied des ÖRK-Zentralausschusses.

Diese Öffnung findet im Rat immer mehr Anhänger. Das Argument: Wer eine echte ökumenische Versammlung wolle, müsse auch die Christen einladen, die nicht in dem Dachverband organisiert sind. Gerade die Evangelikalen und Pfingstler entwickeln sich zu einer immer größeren Herausforderung für den Weltkirchenrat.

Bis heute ist der Vatikan kein ÖRK-Mitglied
Die Gründungsversammlung in Amsterdam mit Generalsekretär Willem A.
Visser't Hooft stand ganz im Zeichen der Kriegsfolgen. Themen waren neben der Suche nach mehr Einheit unter den Christen die Hilfe für die Millionen von Flüchtlinge in Europa und Versöhnung zwischen den Völkern. Vertreter der katholischen Weltkirche folgten damals der Einladung nicht. Bis heute ist der Vatikan kein ÖRK-Mitglied.

Seine wohl einflussreichste Zeit hatte der Weltkirchenrat in den 1970er und 1980er Jahren. Seit 1968 gewann das ÖRK-Programm zur Bekämpfung des Rassismus an Bedeutung. Historiker werten es als wichtigen Beitrag zum Ende der Apartheid in Südafrika. Bei der Vollversammlung 1983 in Vancouver stand der sogenannte Konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung im Mittelpunkt - davon ging ein wichtiger Impuls für die Umwelt- und Friedensbewegung aus.

Interne Herausforderungen
Kenner warnen indessen eindringlich vor einem Bedeutungsverlust des Weltbundes. Vor allem wegen ihrer harschen Kapitalismuskritik war die Organisation von westlichen Kirchen zuletzt kritisiert worden. Doch der Weltkirchenrat muss sich auch internen Herausforderungen stellen. So bemängelten Mitglieder des Zentralausschusses, dass die Programmarbeit des ÖRK ausufere.

Im Februar zog der amtierende Generalsekretär Samuel Kobia überraschend seine Kandidatur für eine Verlängerung zurück. Die laufende fünfjährige Amtszeit des Kenianers endet am 31. Dezember 2008. Zuvor war Kritik an seiner Amtsführung laut geworden. Seine Nachfolge ist noch offen. Trotz der Herausforderungen und Querelen bleibt der Rat jedoch für Kirchen attraktiv. Im Jubiläumsjahr stießen zwei neue Mitglieder in den Kreis der ÖRK-Familie: die Evangelische Kirche von Laos und die Unabhängige Presbyterianische Kirche von Brasilien.