Großonkel des US-Präsidenten war bei Befreiung der Außenstelle des KZ Buchenwald dabei

Obamas Bezug zu Ohrdruf

US-Präsident Barack Obama wird am Freitag nur einen kleinen Abstecher nach Thüringen machen - dennoch ist der Kurzbesuch von hoher symbolischer Bedeutung: Als erster amerikanischer Präsident wird er das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar besuchen, das 1945 von den alliierten Truppen befreit worden war. Dem Vernehmen nach ist es ein persönliches Anliegen Obamas. Dessen Großonkel Charles Payne gehörte zu jener US-Einheit, die am 5. April 1945 im Zwangsarbeiterlager Ohrdruf eintraf, einer Außenstelle Buchenwalds.

Autor/in:
Till Erdtracht
 (DR)

Ohrdruf war das erste KZ, auf das die GIs bei ihrem Vorstoß von der Normandie nach Mitteldeutschland stießen. Auf das Grauen hinter dem Stacheldraht waren sie nicht vorbereitet: Überall lagen verbrannte, verhungerte und erschossene Körper von Häftlingen. Charles Payne erinnert sich an den schockierenden Anblick: «Unweit des Haupttores lagen tote Gefangene auf dem Boden. Offenbar waren sie zur Essensausgabe gerufen und dann mit dem Maschinengewehr niedergemäht worden: Jeder Tote hatte einen Blechnapf in der Hand oder dicht neben sich liegen», erzählte Payne unlängst dem «Spiegel».

Insgesamt eine Viertelmillion Menschen waren von Juli 1937 bis April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Die Zahl der Opfer wird auf etwa 56 000 geschätzt. Das Außenlager Ohrdruf war erst im November 1944 auf einem Truppenübungsplatz errichtet worden. Noch in den letzten Kriegstagen sollten die Häftlinge im nahen Jonastal in einem Stollen ein unterirdisches Führerhauptquartier bauen. Das Projekt wurde nie fertiggestellt. Ende März 1945 waren etwa 20 000 Häftlinge im Lager. Es wird davon ausgegangen, dass 7000 Menschen ihr Leben verloren.

Die Amerikaner begannen nach der Befreiung umgehend, die Verbrechen zu dokumentieren. Am 12. April besichtige der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, der spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower, das Lager. Er sprach von einem «unbestreitbaren Zeugnis für die Unmenschlichkeit der Nazis», die sich über die einfachsten Gebote der Menschlichkeit in skrupelloser Weise hinwegsetzten. «Bisher hatte ich nur gewusst, dass es Lager dieser Art gab, alles andere kannte ich nur vom Hörensagen. Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick.»

Von der Anlage ist heute kaum noch etwas übrig - das Areal wird von der Bundeswehr als Truppenübungsplatz genutzt. Aber in der Gedenkstätte Buchenwald sind alte Fotos, Dokumente und Erzählungen der Außenstelle zu sehen. Obama wird bei seinem kurzen Aufenthalt wohl kaum die Gelegenheit bekommen, sich eingehend damit zu beschäftigen. Offenbar will sich der Präsident aber die Zeit nehmen, mit Überlebenden ins Gespräch zu kommen. Damit unterstreicht Obama, dass er mit seinem Besuch neben den Befreiern auch die Opfer und Häftlinge der Konzentrationslager würdigt.