Große Koalition nominiert Steinmeier für Bundespräsident

Glaube ist "Kompass und Gerüst"

Frank-Walter Steinmeier soll Bundespräsident werden. Nach wochenlanger Diskussion wurde der Außenminister nun für das Amt nominiert - mit der breiten Unterstützung, die er sich dafür gewünscht hatte.

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Von Corinna Buschow
Frank-Walter Steinmeier / © Kay Nietfeld (dpa)
Frank-Walter Steinmeier / © Kay Nietfeld ( dpa )

Vor kurzem klang Frank-Walter Steinmeier (SPD) schon sehr präsidial. Im Auswärtigen Amt war er Gastgeber der OECD-Konferenz zum Thema Toleranz und Vielfalt. Der Außenminister beklagte eine zunehmende Spaltung in seinem Land: Willkommenskultur auf der einen Seite, Brandsätze auf Moscheen und Flüchtlingsheime auf der anderen. Steinmeier warnte vor dem "Ungeheuer des Nationalismus", vor Rechtspopulismus und einer Verrohung der Debattenkultur. Es war eine leidenschaftliche Rede für mehr Zusammenhalt in Deutschland und in Europa.

Jetzt soll Steinmeier tatsächlich Bundespräsident werden. Knapp eine Woche nach der US-Wahl nominiert die große Koalition den 60-Jährigen für das höchste Staatsamt - und entscheidet sich damit für ein Gegenmodell zu Donald Trump. Statt auf schrille Töne setzt Steinmeier auf behutsame Diplomatie. Trumps Wahl hat den Diplomaten so geschockt, dass er in seinem Statement nach der Wahl die Gratulation ausließ.

Keine Kampfkandidatur

Die Kampfkandidatur bleibt Steinmeier in der für den 12. Februar angesetzten Bundesversammlung erspart. Nach wochenlanger Personaldiskussion, in der SPD-Parteichef Sigmar Gabriel früh auf die Nominierung seines Parteikollegen pochte, unterstützt nun auch die Union den Sozialdemokraten. Er war der naheliegende Kandidat: im richtigen Alter, erfahren auf dem politischen Parkett national wie international. Noch dazu führt er die Skala der beliebtesten Politiker in Deutschland an. Bei der Wahl am 12. Februar, bei der Amtsinhaber Joachim Gauck aus Altersgründen nicht erneut kandidiert, kann er mit breiter Unterstützung rechnen.

SPD-Chef Gabriel ließ sich am Montag seinen Triumph nicht nehmen und würdigte Steinmeier vor der Presse. Insbesondere in dieser "Zeit der Brüche, Umbrüche" werde ein Kandidat gebraucht, der das Vertrauen der Bevölkerung genieße. Steinmeier ist in seinen Augen solch ein Kandidat. Er habe sich als Außenminister hohes Ansehen erworben, trage Verantwortung für die liberalen, sozialen und demokratischen Grundwerte der Verfassung, sagte Gabriel.

Beginn in Niedersachsen

Steinmeier begann seine politische Karriere an der Seite des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD). 1993 wurde er dessen Büroleiter in der niedersächsischen Staatskanzlei, 1998 zog er nach der von der SPD gewonnen Bundestagswahl als Staatssekretär mit ins Kanzleramt, ein Jahr später wurde der Jurist Kanzleramtschef. Bereits in der letzten großen Koalition von 2005 bis 2009 war er Außenminister, 2009 unterlag er bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat der SPD. Seit 2013 ist er wieder der Chef im Auswärtigen Amt am Werderschen Markt in Berlin.

In dieser Funktion setzt Steinmeier auf das, was auch das wichtigste Werkzeug des Bundespräsidenten ist: die Macht der Worte. Steinmeiers Außenpolitik setzt auf Diplomatie. Der Erfolg beim Atomabkommen mit dem Iran bestätigte ihn im Bemühen, Lösungen am Verhandlungstisch statt durch Repression oder Waffen zu erreichen. Hartnäckig - wenn auch mit weniger Erfolg - verfolgt er dies auch im Ukraine-Konflikt und im Syrien-Krieg.

Geschätzter Diplomat

Nicht nur Parteifreunde loben Steinmeiers diplomatische Bemühungen. Am häufigsten verglichen wurde der Außenminister, in dessen Amtszeit die wohl härtesten und schwierigsten Krisen der vergangenen Jahrzehnte fallen, mit Sisyphos, dem Unglücklichen aus der griechischen Mythologie, der einen Steinblock auf einen Berg rollen soll, der - kaum oben angekommen - ihm immer wieder entgleitet und zurückrollt.

Steinmeier ist aufgewachsen im nordrhein-westfälischen Brakelsiek. Der 60-Jährige ist verheiratet und hat mit seiner Frau zusammen eine Tochter. 2010 sorgte Steinmeier für Aufsehen, als er seiner kranken Frau eine Niere spendete. Seinen Wahlkreis hat Steinmeier in Brandenburg, dazu gehören unter anderem das Potsdamer Umland und die Stadt Brandenburg an der Havel.

Kein lauter Christ

Der Außenminister ist evangelisch-reformierter Christ. Seinen Glauben trägt er nicht vor sich her, kirchliches Engagement schließt das aber nicht aus. Steinmeier ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Er war bislang als Präsident des Christentreffens 2019 in Dortmund vorgesehen.

Mit dem Ökumenischen Preis der Katholischen Akademie Bayern und dem Toleranz-Preis der Evangelischen Akademie Tutzing erhielt der Protestant Steinmeier in diesem Jahr gleich zwei kirchliche Auszeichnungen. "Politik macht man am Ende nicht mit der Bibel in der Hand", betonte Steinmeier bei der Entgegennahme des Ökumenischen Preises. "Der Glaube dient mir aber als Kompass und Gerüst, gerade bei hohem Entscheidungsdruck, und ich gebe ihn auch nicht an der Garderobe ab, wenn ich morgens ins Büro komme."


Quelle:
epd