Viele Entwicklungshelfer stehen vor einer ungewissen Zukunft

Große Herausforderungen - wenig Aufmerksamkeit

Pfleger, LKW-Fahrer oder Kassierer: Sie gelten in Zeiten von Corona als unverzichtbar. Eigentlich müssten dazu auch Entwicklungshelfer gehören, die in den armen Ländern arbeiten, denen die Pandemie erst noch bevorsteht. 

Autor/in:
Von Joachim Heinz
So wie Maria Oberhofer in Brasilien haben viele Entwicklungshelfer durch die Corona-Krise ihre Arbeit verloren / © Kopp (Agiamondo)
So wie Maria Oberhofer in Brasilien haben viele Entwicklungshelfer durch die Corona-Krise ihre Arbeit verloren / © Kopp ( Agiamondo )

Sie kümmern sich um die Wartung medizinischer Geräte in Tansania, machen Sozialarbeit in brasilianischen Armenvierteln oder bringen die die Menschenrechtsarbeit in Kolumbien voran. Rund 1.100 Entwicklungshelfer sind derzeit bei der in Bonn ansässigen Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste AGdD registriert. Ihr gehören sieben Trägerorganisationen an, die Fachkräfte für die Mindestdauer von einem Jahr in Projekte der Entwicklungszusammenarbeit und des Zivilen Friedensdienstes entsenden. 

Chaotische Rückkehr

Die Corona-Pandemie hat viele von ihnen kalt erwischt, sagt Claudia Lücking-Michel von der katholischen AGdD-Mitgliedsorganisation AGIAMONDO. Zu Beginn der Krise habe man den Entwicklungshelfern und ihren Familien freigestellt, in ihren jeweiligen Einsatzländern zu bleiben oder in ihre Heimat zurückzukehren. Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Immer mehr Staaten machten die Grenzen dicht und schlossen die Flughäfen. 

Etwa zeitgleich startete das deutsche Außenministerium eine Rückholaktion, die sich vor allem an gestrandete Urlauber richtete und unter den Fachkräften im Entwicklungsdienst, aber auch jungen Freiwilligen von Weltwärts, für Unsicherheit sorgte. Die vom Auswärtigen Amt gecharterten Flüge seien teils überbucht gewesen, sagt AGIAMONDO-Geschäftsführerin Lücking-Michel. Es scheint, als habe zu diesem Zeitpunkt niemand so recht die Fachkräfte und Freiwilligen auf dem Schirm gehabt. 

Bürokratische Schranken

Wer es von den Entwicklungshelfern trotzdem schaffte, einen Flieger nach Europa zu ergattern, stand nicht selten vor neuen Problemen. So wie die Helferin, die aus Nigeria kommend, mit ihrem italienischen Mann in Frankfurt landete. Die deutschen Behörden wollten nur die Frau einreisen lassen und ihren Gatten, der in den vergangenen Monaten nicht ein einziges Mal in seiner Heimat war, direkt Richtung Rom abschieben. "Bei nicht-europäischen Ehepartnern wurde die Sache noch komplizierter", so Lücking-Michel, bei der das Telefon zeitweise nicht mehr stillstand. 

Positiv hebt die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete den Einsatz des Krisenstabes im Entwicklungsministerium hervor. Alle Freiwilligen und diejenigen Fachkräfte, die nach Hause zurückkehren wollten, seien inzwischen in Deutschland angekommen. Hier stehen sie nun vor der Frage, wie es weitergeht. In ihre Einsatzländer werden sie vorerst nicht zurückkehren können; in Deutschland haben sie keinen Erstwohnsitz, was wiederum hohe bürokratische Hürden bei der Beantragung von staatlichen Leistungen mit sich bringt. 

Zurück - und jetzt?

Wer dagegen vor Ort geblieben ist, klagt selten über Corona-bedingten Leerlauf. So wie Andre de la Chaux, der in dem von jahrelangen Konflikten gezeichneten Osttimor in der Jugendarbeit tätig ist. Schnell habe sich seine Organisation Ba Futuru auf die neuen Herausforderungen eingestellt, berichtet de la Chaux. So arbeite man mit einer Band aus der Hauptstadt Dili zusammen, die einen Corona-Aufklärungssong geschrieben habe. 

"Das Lied soll jetzt aufgenommen und über Social Media-Kanäle wie WhatsApp und TikTok an Jugendliche und junge Erwachsene im ländlichen Bereich verschickt werden, zusammen mit einem Musikvideo und weiteren kleinen Aufklärungsvideos", sagt de la Chaux. Solche Initiativen sollen dazu beitragen, dass sich Corona in dem bettelarmen Land im indonesischen Insel-Archipel nicht zu sehr ausbreitet. 

Lücking-Michel wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für de la Chaux sowie seine Kollegen. Die Zahl der Entwicklungshelfer mag sehr überschaubar erscheinen. Aber an dem Umgang mit ihnen könne sich auch zeigen, wie ernst es Deutschland mit der internationalen Solidarität in der Corona-Krise sei, sagt Lücking-Michel. 

Solidarität endet an Landesgrenze

Ihr Zwischenfazit fällt ernüchternd aus: "All die milliardenschweren Schutzschirme und Finanzhilfen enden bisher an Deutschlands Grenzen." Die Unterstützung der Partnerorganisationen durch Fachkräfte der Entwicklungszusammenarbeit wäre dagegen "gerade jetzt und vor allem für die Zeit nach der Krise ein ganz konkretes Zeichen der Solidarität".


Quelle:
KNA