Gropius-Bau in Berlin zeigt eine Frida-Kahlo-Retrospektive

Der Schmerz der Bilder

Frida Kahlo ist heute die wohl berühmteste Künstlerin Lateinamerikas. Im Berliner Martin-Gropius-Bau ist nun eine Ausstellung mit Werken der mexikanischen Malerin zu sehen - die bislang größte in Deutschland und Europa.

Autor/in:
Sigrid Hoff
 (DR)

Eine junge schöne Frau mit langgestrecktem Hals in einem dunkelroten, tiefausgeschnittenen Samtkleid. Die Haare sind streng zurückgebunden, die Augen schauen schräg nach unten. Hinter ihr ein Nachthimmel, darunter sind dunkelblaue Wellen zu erkennen. Bereits das frühe Selbstbildnis Frida Kahlos zeigt das hohe Können und die Reife einer erst 19-jährigen Autodidaktin. Es entstand 1926, nur ein Jahr nach dem schrecklichen Busunfall, bei dem ihr Körper von einer Eisenstange durchbohrt wurde.

Frida Kahlo (1907-1954) ist heute die wohl berühmteste Künstlerin Lateinamerikas. Ihre Bilder sind Ikonen mexikanischer Kunst des 20. Jahrhunderts und zeugen von der Ausdruckskraft einer selbstbewussten Künstlerin, die in ihrer Heimat, aber auch international verehrt und zur Heiligen stilisiert wird.

Obwohl ihr Werk vielfach publiziert ist und ihr abenteuerliches Leben 2002 von Hollywood verfilmt wurde, sind ihre Bilder in Deutschland nur selten zu sehen. So ist die große Retrospektive, die der Martin-Gropius-Bau der mexikanischen Künstlerin widmet, eine seltene Gelegenheit, die Kunst Frida Kahlos im Original zu betrachten.

Gleichzeitig Fotoausstellung
Zugleich ist es mit 150 Gemälden und Zeichnungen die größte Werkschau über Frida Kahlo, die jemals in Europa zu sehen war. Zugleich gibt eine von der Großnichte Cristina Kahlo zusammengestellte Fotoausstellung mit vielen unbekannten Aufnahmen aus Familienbesitz Einblicke in das wechselvolle Leben der Künstlerin.

Wie bei kaum einer anderen Künstlerin mischen sich in Kahlos Werk biografische Details, Selbststilisierung und eine eindringliche Bildsprache. Ihr ereignisreiches Leben wurde geprägt von dem tragischen Busunfall, von zahlreichen Krankheiten, von leidenschaftlichen Affären, aber vor allem von ihrer großen Liebe zu dem mexikanischen Künstler Diego Rivera und ihrem Ringen um emotionale und künstlerische Unabhängigkeit.

"Wir wollen die Malerin zeigen, nicht die Heilige", betont Kuratorin Helga Prignitz-Proda. Frida Kahlo, die Feministin, die Einsame, die Politische, die Kranke, die Poetische, die Liebende - Leben und Werk der Künstlerin tragen unterschiedliche Etiketten und prägen ihre Rezeption.

Die Tochter eines deutschstämmigen Fotografen hatte in ihrer Jugend oft Modell für den Vater gestanden. Diese Erfahrung trug dazu bei, dass fast die Hälfte ihres Werks aus Selbstbildnissen besteht. Sie tauchen immer wieder in den acht Kapiteln der Ausstellung auf.

Von den ersten Porträts zu mythischen Liebesdarstellungen
Hier spannt sich der Bogen von den ersten Bildern mit Porträts von Freunden über ihre zunehmend surrealistischen Werke der 30er Jahre bis hin zu mythischen Liebesdarstellungen, in denen sie ihre Metaphern aus aztekischen Traditionen ebenso bezieht wie aus dem indischen Buddhismus oder der christlichen Religion. Vor allem in den Wunschbildern des letzten Kapitels fleht sie die katholischen Heiligen um Hilfe an und stellt sich bewusst in die Tradition der auf Metall gemalten Votivbilder.

Ein Raum stellt die Selbstbildnisse in den Mittelpunkt: Frida mit Dornenhalsband und Kolibri, das nach ihrer ersten Scheidung von Diego Rivera entstand und deutliche Bezüge zu dem Surrealisten Roland Peron aufweist, Frida mit riesiger Spitzenhaube als Tehuana, ihren Geliebten in die Stirn gemalt wie ein drittes Auge.

Ihre physische und psychische Verletzlichkeit hat Frida Kahlo immer wieder zur Schau gestellt. Eines der schmerzhaftesten Bilder zeigt Frida Kahlo unter dem Titel "Die gebrochene Säule" nackt, nur von einem Korsett gehalten, ein Spalt im Körper gibt den Blick auf eine geborstene Säule preis - ein Denkmal der Verwundbarkeit und des Schmerzes. Ihr letztes Selbstporträt zeigt Frida als verblühende Sonnenblume beim Untergang der Sonne.

Die Ausstellung "Frida Kahlo - Retrospektive" im Berliner Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, ist bis 9. August täglich von 10 bis 20 Uhr zu sehen.