Grimme-Preise werden in Marl verliehen

Umstrittener Preisträger

Die Grimme-Preise werden an diesem Freitag zum 53. Mal an herausragende Fernsehproduktionen verliehen. Der undotierte Preis gilt als wichtigster deutscher Fernsehpreis. Ein Preisträger sorgte für Streit in der Jury.

Preisträger Oliver Polak / © Daniel Reinhardt (dpa)
Preisträger Oliver Polak / © Daniel Reinhardt ( dpa )

15 Produktionen und Einzelleistungen werden geehrt. 14 davon sind Produktionen von öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Erneut erhält TV-Satiriker Jan Böhmermann eine Auszeichnung. Er und sein Team bekommen einen Spezialpreis für ihre "engagierte Beobachtung und kluge Reflexion des laufenden Fernsehprogramms". Der 36-Jährige hatte bereits 2014 und 2016 Grimme-Preise erhalten. Im vergangenen Jahr erhielt er auf dem Höhepunkt der Affäre um sein Erdogan-Schmähgedicht außerdem einen Ehrenpreis für seine Verdienste um die Entwicklung des Fernsehens in der digitalen Welt. Der Preisverleihung war Böhmermann damals ferngeblieben.

Die begehrten Preise für Qualitätsfernsehen gehen unter anderem an die Macher des ersten Teils der ARD-Spielfilm-Triologie "Mitten in Deutschland" über den sogenannten "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) mit Anna Maria Mühe als Beate Zschäpe. Auch die filmische Auseinandersetzung mit der kühl-brutalen Arbeitswelt der Finanzbranche ("Dead Man Working", HR/ARD Degeto) war der Jury preiswürdig.

Öffnung für crossmediale Formate

Mit der Auszeichnung der Mystery-Webserie "Wishlist" von RB, MDR und Funk, der gemeinsamen Jugend-Onlineplattform von ARD und ZDF, zeigt sich die Öffnung des Grimme-Preises für crossmediale Formate: Die bei Youtube zuerst ausgestrahlte Jugendserie über eine Smartphone-App, die Wünsche erfüllt, gewinnt einen von drei Preisen im "Kinder- und Jugendwettbewerb".

Wer in diesem Jahr die "Besondere Ehrung" des Deutschen Volkshochschulverbandes als Stifter der Grimme-Preise erhält, ist noch nicht bekannt. Das Grimme-Institut gibt seine Entscheidung traditionell erst während der Preisverleihung am Abend bekannt.

Streit in der Jury

In der Kategorie Unterhaltung erhält der Late-Night-Talk "Applaus und Raus" (ProSieben) mit Oliver Polak einen Grimme-Preis. Es ist in diesem Jahr die einzige Auszeichnung für einen Privatsender - und sie ist hoch umstritten. In der inzwischen nicht mehr im Programm von ProSieben geführten Talkshow traf Polak auf Überraschungsgäste, die er mittels Drücken eines Buzzers aus dem Studio werfen konnte, wenn ihm das Gespräch zu langweilig wurde. Polaks Redaktion bewarb die Talksendung in der ersten Folge auf Twitter mit dem Hashtag #GastoderSpast.

Die gehörlose Aktivistin Julia Probst, als "Lippenleserin" bundesweit bekannt geworden, kommentierte die am Mittwoch bekannt gewordene Entscheidung auf Twitter mit den Worten: "Fernsehunterhaltung ist besonders wertvoll, wenn sie Menschen mit Behinderung diskriminiert."

"Sozialhelden"-Gründer Raul Krauthausen zeigte sich auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) irritiert von dem Votum der Jury "eines so hoch angesehenen Fernsehpreises". Er halte nicht nur den Hashtag, sondern auch das Format selbst für "ziemlich menschenverachtend", so Krauthausen, der selbst aufgrund einer Behinderung im Rollstuhl sitzt. Zudem habe ProSieben bei der Debatte um den Twitter-Slogan keine gute Figur gemacht und lediglich auf den humorvoll gemeinten Charakter verwiesen. Humor ende aber dort, wo er Menschen massiv beleidige, betonte Krauthausen.

Jury-Vorsitzender: "Ich finde das unsäglich"

Auch innerhalb der für die Kategorie "Unterhaltung" zuständigen Jury hatte es Debatten über die Auszeichnung gegeben. Der Jury-Vorsitzende Dieter Anschlag distanzierte sich von der Auszeichnung, ebenso wie sein Kollege von der "tageszeitung" (taz), Jürn Kruse - ein in dieser Form einmaliger Vorgang in der Geschichte des Grimme-Preises. Auch Anschlag, Chefredakteur der "Medienkorrespondenz", und Kruse kritisierten in diesem Zusammenhang den Twitter-Hashtag "#GastoderSpast".

"Es ging in der Sendung darum, ob ein Mensch ein guter Gast ist oder aber ein schlechter Spast. Das ist eine Beleidigung nicht nur spastisch gelähmten Menschen gegenüber, sondern für alle Behinderten, die ganz bewusst als Provokation eingesetzt wurde. Ich finde das unsäglich", so Anschlag gegenüber domradio.de.

In einem in der taz veröffentlichten Brief von Kruse an Polak heißt es, das Format habe tatsächlich "ein paar erhellende Momente" im Vergleich zu manch anderen Talkshows geliefert. "Ich kann aber nicht verstehen, warum die Sendung unter das Motto 'Gast oder Spast?' gestellt wurde, warum sie mit dem dazugehörigen Hashtag #GastoderSpast beworben wurde, warum Sie in der Sendung mehrfach das als Sinn dieser Show verkaufen."


Quelle:
dpa , DR , KNA