Gottesdienst und Festakt in Saarbrücken zum Tag der Deutschen Einheit

"Erste große gemeinsame Herausforderung"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zum Tag der Deutschen Einheit die Überwindung alter Gegensätze zwischen Ost und West angemahnt. "Jetzt ist es Zeit für eine gemeinsame Gestaltung der Zukunft", sagte sie in ihrer Ansprache beim offiziellen Festakt am Samstag in Saarbrücken. Die internationale Finanzkrise sei die "vielleicht erste große gemeinsame Herausforderung" für das ehemals geteilte Deutschland.

 (DR)

«Wir haben gelernt, dass Freiheit und Verantwortung zusammengehören», sagte die Kanzlerin mit Blick auf die Krise.
Aufgabe der Politik sei es nun, ein neues Verhältnis von Freiheit und Verantwortung zu entwickeln. Dazu gehöre auch ein Bekenntnis zu den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft. Merkel würdigte die deutsche Einheit als langen Prozess von Mut und Zivilcourage. Bundespräsident Horst Köhler lud im Anschluss an den Festakt Bürgerdelegationen zum Empfang.

Bundesratspräsident und geschäftsführende saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) warnte davor, deutsche Einheit mit deutscher Einheitlichkeit zu verwechseln. Der Förderalismus in der Bundesrepublik habe sich bewährt. Mentalitätsunterschiede gebe es nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd:
«Friesen möchten nicht für Schwaben, Württemberger nicht für Westfalen und Saarländer nicht für Pfälzer gehalten werden», sagte der Politiker.

Angesichts der jüngsten Terrordrohungen des islamistischen Terrornetzwerks El Kaida galt in Saarbrücken die höchste Sicherheitsstufe. Rund 1.500 Polizisten und Sicherheitskräfte waren in der saarländischen Hauptstadt im Einsatz. Bereits seit Freitagmittag wurde in der Innenstadt ein zweitägiges Bürgerfest unter dem Motto «Europa leben» gefeiert. Die Staatskanzlei rechnete mit rund 500.000 Besuchern. Aus Sicherheitsgründen verzichtete Kanzlerin Merkel auf einen Rundgang.

Die Feierlichkeiten hatten am Morgen mit einem ökumenischen Fernsehgottesdienst in der Ludwigskirche begonnen. Die beiden großen Kirchen würdigten den Mauerfall vor 20 Jahren als Zeichen für die Macht von Gewaltlosigkeit. Der Mut, die Beharrlichkeit und die Friedfertigkeit vieler hätten dazu beigetragen, dass in Deutschland ein Traum Wirklichkeit wurde, sagte der katholische Trierer Bischof Stephan Ackermann vor rund 1.000 geladenen Gottesdienstbesuchern in seiner Predigt.

Das Saarland, kleinstes Flächenland der Republik, richtete nach
1993 zum zweiten Mal die zentrale Feier zum Tag der Deutschen Einheit aus. Nach Angaben der Staatskanzlei kostete das Fest rund 1,5 Millionen Euro. Die Gastgeberrolle ist an den Vorsitz im Bundesrat gekoppelt. Im Rahmen der Feierlichkeiten übergab der amtierende Vorsitzende Müller den Schlüssel des Bundesrates an seinen Nachfolger, den Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), der das Amt am 1. November übernimmt.
Altbundespräsident Richard von Weizsäcker betonte in einer Sondersendung des Südwestrundfunks (SWR), Deutschland habe seit der Wiedervereinigung viel geschafft. Bislang seien etwa 1,2 Billionen Euro in den Aufbau Ost investiert worden. Dennoch müsse weiter daran gearbeitet werden, die wirtschaftliche und soziale Situation für die Menschen im Osten zu verbessern und vor allem jungen Menschen Perspektiven zu bieten, sagte der 89-Jährige.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, nannte die friedliche Revolution vor 20 Jahren ein Wunder und Geschenk für die Deutschen. Der Rückblick auf die Ereignisse im Herbst 1989 bringe in diesen Tagen die erstaunlichen Stationen des Aufbruchs vor 20 Jahren nahe, sagte der Berliner Bischof im Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, würdigte den Fall der Berliner Mauer und die Überwindung der deutschen Teilung. Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober sei ein «Tag des Dankes und der Freude über ein Leben in der Freiheit», sagte er vor der Vollversammlung des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen in Paris.