Glück bilanziert seine Präsidentschaft beim Katholiken-Komitee

"Ich werde schon einen bewussten Schnitt machen"

Bei der Herbstvollversammlung am kommenden Freitag und Samstag legt Alois Glück wie angekündigt sein Amt als Präsident des Zentralkomitees der Katholiken (ZdK) nieder. Im Interview zieht der 75-Jährige nach sechs Jahren Bilanz.

Alois Glück / © Harald Oppitz (KNA)
Alois Glück / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Herr Glück, Sie sind ein "homo politicus" durch und durch. Können Sie überhaupt aufhören?

Glück: Ich werde schon einen bewussten Schnitt machen. Für den Ausbau der Hospizarbeit und Palliativmedizin werde ich mich weiter engagieren und mich auch mit großen Herausforderungen wie der Integration der Flüchtlinge beschäftigen. Aber ich will jetzt endgültig eine neue Lebensphase beginnen, die nicht mehr von Terminen, Sitzungen und Verpflichtungen geprägt ist.

KNA: Was steht auf der Habenseite Ihrer Bilanz?

Glück: Es war eine innerkirchlich sehr unruhige Zeit. Schon bei meiner Wahl im November 2009 war das Verhältnis zwischen Bischofskonferenz und Laienbewegungen sehr gespannt. Wenige Wochen später begann das ganze Desaster des sexuellen Missbrauchs in der Kirche offenkundig zu werden. Damit ist mir eine Aufgabe zugewachsen, auf die ich überhaupt nicht eingestellt war.

KNA: Welche?

Glück: Krisenkommunikation. Weil es bei der Kirche kaum Ansprechpartner gab, habe ich einen Ansturm der Medien erlebt wie zu keiner Zeit in der aktiven Politik. Im Rückblick muss man sagen: Ohne diese Erschütterung, den Vertrauensverlust und die Einsicht, dass es so nicht mehr weitergehen kann, wäre es zu einer ganzen Reihe positiver Veränderungen in der katholischen Kirche in Deutschland nicht gekommen - Beispiel Dialogprozess.

KNA: Was hat der für Früchte gebracht?

Glück: Anfangs standen sich Bischöfe und Laien skeptisch gegenüber. Was darf man überhaupt sagen, fragten sich die einen. Was werden wir da wieder zu hören bekommen, die anderen. Dann wurde für mich schon die erste Runde in Mannheim zu einem Schlüsselerlebnis. Obwohl da mehr als 300 Leute aus allen Bistümern - nach sehr unterschiedlichen Verfahren ausgewählt - beisammen waren, war die Übereinstimmung in der Beurteilung der Lage und des Änderungsbedarfs unglaublich groß. Das hat mich überrascht, aber auch gezeigt, dass das Zentralkomitee tatsächlich die Positionen der großen Mehrheitsströmung in der Kirche vertritt. Und dann ist in den Folgejahren viel gewachsen.

KNA: Wie unterscheiden sich Debatten in Parteien und Parlamenten vom Streit in der Kirche?

Glück: Noch 2010 war für die allermeisten angstfreie Kommunikation in der Kirche nicht möglich, sowohl für die Laien wie für die Bischöfe untereinander. Ich hatte mich in der Vergangenheit nie besonders für innerkirchliche Fragen interessiert und war zunächst ganz erschrocken, wie viele Verletzte, Resignierte und Frustrierte ich unter kirchlich engagierten Menschen antraf. Dank Papst Franziskus und unserem Gesprächsprozess in Deutschland hat sich das Binnenklima stark verbessert. Offene Debatten sind möglich geworden.

KNA: Der Papst ist äußerst populär. Trotzdem laufen der Kirche in Deutschland die Menschen in Scharen davon. Wie lässt sich dieser Trend stoppen?

Glück: Es gibt keine kurzfristigen Wunderwirkungen. Wir wissen nicht, wie längerfristig der weitere Weg der Kirche sein wird, der tiefgreifende Veränderungsprozess wird weitergehen, muss sich aber nicht zwangsläufig linear fortsetzen. Das erlebe ich gerade in Leipzig, wo der nächste Katholikentag stattfindet. Die stärkste Altersgruppe unter den aktiven Katholiken dort ist die der 20- bis 30-Jährigen. Es werden mehr Erwachsene als Kinder getauft. Vielleicht muss manches in der Kirche erst noch zusammenbrechen, bis sich Neues so entwickeln kann, dass die Menschen einen Zugang dazu finden.

KNA: Zentralkomitee - hat Sie dieser verstaubte Begriff nie gestört?

Glück: Viele Menschen stolpern über die Bezeichnung. Oft habe ich Briefe an den Vorsitzenden des Zentralrates erhalten, aber das ist nicht unser Kernproblem. Eines lässt sich zur Rolle des ZdK schon sagen: Wir sind Partner der Bischöfe und ihrer Konferenz, das dokumentiert sich in gemeinsamen Arbeitspapieren und Katholikentagen. Wir haben die Aufgabe des Drängens und des Integrierens. Beide nehmen wir wahr.

KNA: Welche Baustelle hätten Sie gern geschlossen?

Glück: Was mir wehtut, ist, dass mit der Bischofskonferenz bis heute keine Verständigung gelungen ist über eine alte Wunde, über ein Engagement für Donum Vitae und für die Kirche. Die Kernaufgabe, wie können wir den Menschen der heutigen Welt die Botschaft des Evangeliums und Jesus erschließen, fordert uns immer wieder aufs Neue, macht uns oft ratlos und ist auch ein andauernder Lernprozess.

KNA: Sollte einmal wieder eine Frau ans Ruder?

Glück: Das muss die Wahl ergeben. Wir haben uns mit Erfolg für die Rolle der Frauen in der Kirche engagiert. Das ist auch dann weiter möglich, falls wieder ein Mann Präsident werden sollte.

KNA: Was machen Sie, wenn Sie - erleichtert um Ihr Amt - im Chiemgau die Haustür hinter sich schließen?

Glück: Ich bin ehrlich froh, wenn die vielen Reisen und Konferenzen, die ja auch noch vorbereitet werden müssen, nicht mehr meinen Tagesrhythmus prägen. Ein klassisches Ruhestandsleben ist aber nichts für mich, das würde mich krank machen.

Das Interview führte Christoph Renzikowski.


Quelle:
KNA