Glocken als Begleiter durch das Leben und die Religion

Hells Bells und Scheintodklingel

Sie rufen zum Gebet, verkünden die Uhrzeit oder alarmieren die Menschen. Glocken sind in unserer Kultur immer noch allgegenwärtig. Ihr Klang erinnert an das Göttliche – oder das böse Image einer legendären Rockband.

Autor/in:
Natalie Fritz
Werkstatt der Glocken- und Kunstgießerei Rincker in Sinn / © Bert Bostelmann (KNA)
Werkstatt der Glocken- und Kunstgießerei Rincker in Sinn / © Bert Bostelmann ( KNA )

Immer wieder sonntags läuten sie zu Messe und Gottesdienst – und an vielen Kirchen zur vollen Stunde: Glocken waren in der christlichen Welt stets ein zentrales Element der Glaubensausübung.

Zeit wurde bis zum Ende des Mittelalters vor allem akustisch vermittelt. Das Glockengeläut strukturierte nicht nur der Tagesablauf der Ordensgemeinschaften. Auch die Bevölkerung richtete Arbeits- und Ruhezeiten danach aus. Doch in vielen Kulturen symbolisiert der Klang der Glocke den Einklang zwischen Mensch und Transzendenz.

Glocken als "Erscheinungsform Gottes"

Schon im Alten Testament wird der Glocke eine schützende Wirkung gegen böse Mächte zugeschrieben. Ihr Klang sollte sie vertreiben, wie Vers 28,35 im 2. Buch Mose belegt. Der Historiker Flavius Josephus (37/38-100) bezeichnete den Klang als donnerähnlich und verstand dies als eine mögliche Erscheinungsform Gottes, der folglich in diesem Moment unmittelbar präsent ist.

Der heilige Antonius (252-356) wird auf Bildern häufig mit einer Handglocke dargestellt. Als Eremit in der Wüste vertrieb er damit Teufel und Dämonen, die ihn von seinem gottesfürchtigen Leben abbringen wollten.

Als Signalinstrument über weite Distanzen dienten Glocken bereits früh zur Warnung. Insofern dienen auch Alarm-, Feuer- oder Pestglocken dem Schutz vor dem Böse – vor allem, wenn sie zuvor entsprechend geweiht oder mit einem Segensspruch versehen wurden. Übrigens: Feinster Glockenabrieb wurde in der Medizin sogar als Mittel gegen Fieber verabreicht.

Glöckchen als Rettung vor dem lebendigen Begraben

Ab dem 18. Jahrhundert häuften sich die Berichte über Scheintote, die bei lebendigem Leib begraben worden seien. Nach stundenlangen Kämpfen seien die Begrabenen elend erstickt, wovon Kratzspuren an Sargdeckeln und blutverkrustete Hände zeugten.

Deshalb griff man auf verschiedene Maßnahmen zurück, um ein zu frühes Begräbnis zu verhindern. Im Leichenhaus wurden Finger oder Zehen mit Glöckchen verbunden, die bei einer Regung der Glieder sofort die Wachhabenden alarmieren sollten.

Um ganz sicher zu gehen, ließen manche Familien einen Draht oder eine feste Schnur vom Zeh eines potenziellen Leichnams zu einer oberirdischen Glocke spannen. Bei Bewegung Alarm! Schriftsteller wie Edgar Allen Poe oder Gottfried Keller verarbeiteten im 19. Jahrhundert in ihren Werken solche Gruselfantasien – und ihre persönlichen Ängste vor dem Scheintod.

Die Totenglocken, die in gewissen ländlichen Gebieten auch heute noch beim Tod eines Gemeindemitglieds geläutet werden, informieren nicht nur die anderen über einen Hinschied, sondern sollen auch das Böse fernhalten – zumindest im Volksglauben.

Himmel oder Hölle?

In der christlichen Musik wimmelt es textlich von Glocken und Glöcklein, die die Ankunft des Herrn verkünden. Aber auch populäre Musikgenres haben sich der Glocke angenommen. So avancierte der Song "Hells Bells" der australischen Hardrockband AC/DC aus dem Jahr 1980 zu einem ihrer größten Hits.

Ihr "böses" Image unterstrich die Gruppe, indem sie religiöse Anspielungen und Symbole ins Gegenteil verkehrte. AC/DC deutet die Glocke um zum Signal des Bösen. Es sind die Höllenglocken, die die Zeit des Bösen ankünden.

Vom höllischen Text des Lieds ließ sich 2018 David Drambyan, Glockenspieler vom Roten Turm in Halle an der Saale, jedoch nicht abhalten. Er adaptierte "Hells Bells" für das Carillon, das Turm-Glockenspiel, und zähmte die bösen Glocken sozusagen.

Schiller und das "Lied von der Glocke"

Friedrich Schillers "Lied von der Glocke" aus dem Jahr 1799 wurde zu einem Inbild deutschsprachiger Kultur. Bis heute gehört es zum Kanon des Deutschunterrichts, viele geflügelte Wörter, die auch heute noch gebräuchlich sind, stammen aus "der Glocke".

Ihre 425 Verse verbinden die Kunst der Glockengießerei mit dem menschlichen Leben, seinen Freuden und Gefahren. Weil Glocken ein christliches Leben von Anfang bis zum Ende begleiten, ist diese Kombination naheliegend.

Das Gedicht vermittelt Werte und Normen der bürgerlichen Gesellschaft und kritisiert dabei zeitgenössische Kriegstreiber mit dem Hinweis auf das Geläut, das Frieden verspricht. Das steht in scharfem Kontrast zu einer Adaption des "Lieds von der Glocke" aus dem Ersten Weltkrieg, in der das Gedicht propagandistisch umformuliert wurde.

Glocken zwischen Krieg und Frieden

Überhaupt hatten Glocken in Kriegszeiten stets eine ambivalente Bedeutung: Einerseits wurde ihr Metall immer wieder für die Herstellung von Waffen zweckentfremdet, andererseits warnten Glocken vor feindlichen Angriffen – und läuteten schließlich den Frieden ein.

Und so wünschen sich gegenwärtig wieder einmal ganze Länder und Völker, dass die Friedensglocken die Dämonen des Krieges vertreiben.

Glocken

Glocken sind offene Hohlkörper. Mit einem Klöppel können Töne erzeugt werden. Die fast ausnahmslos in allen Religionen und Kulturen verwendeten Instrumente in verschiedenen Größen sind meist als kelchförmige Halbkugel gestaltet und häufig aus gegossenem Metall gefertigt. Die ältesten bekannten Glocken stammen aus der chinesischen Shang-Dynastie und wurden rund 1.500 Jahre vor Christus hergestellt.

Glocken in einem Kirchturm / © CeltStudio (shutterstock)
Glocken in einem Kirchturm / © CeltStudio ( shutterstock )
Quelle:
KNA