Glanz und Last der Sommertage

Regloser Sonnenglast

Es sind vielleicht schon die heißesten Tage des Jahres. Der Sommer entfaltet seine ganze Kraft, seine bedrohliche Energie, unter der Pflanzen und Lebewesen leiden, aber er bietet auch seinen ganzen Glanz auf. Für diese ungeheure Menge an Helligkeit, Hitze, anstrengend und schön zugleich, der Ausnahmezustand schlechthin im Jahreslauf, gibt es ein altes Wort: Glast. Sonnenglast.

Sonnenglast / © St.Q.
Sonnenglast / © St.Q.

„Es war der heißeste Tag eines heißen Sommers. Regloser Sonnenglast“, schreibt Carl Zuckmayer in seiner „Henndorfer Pastorale“, an einem heißen Julitag besucht er noch einmal seine einstige Wahlheimat Henndorf am Wallersee. Ein Hitzegewitter wird diesen Tag beenden. Im Wort Sonnenglast steckt das Wort Glanz, aber es meint nicht nur den schönen Sonnenschein, es meint auch die flirrende Hitze, die Sonnenlast.

"Glast" Ausdruck gehobener Sprache

Glast, so lässt es sich dem Wörterbuch der Brüder Grimm entnehmen, war im frühen Mittelalter ein geläufiges Wort, vor allem im oberdeutschen Sprachraum, und es sei schwer deutbar. In späteren Jahrhunderten galt es als veraltet, findet sich dann im 19. Jahrhundert wieder als „Ausdruck gehobener Sprache“.

„Glast“ ist wie bei Zuckmayer zu einem Wort der Poeten geworden. Karl Jung dichtet über die Morgenluft: „Zieh ein und füll den ganzen Raum mit deinem Glanz und Glast.“ Das klingt schön wie in einem Kirchenlied. Angelus Silesius, Lyriker und Theologe im 17. Jahrhundert fing den „Glast“ dagegen in seiner Schwere ein: „Gott ist das wahre Licht, du hast sonst nichts als Glast / im falle du nicht ihn, das Licht der Lichter hast.“

In diesen Tagen haben wir „nichts als Glast“. Und wir sehnen uns nach Linderung, nach Schatten und kühlem Wind. Wohl dem, der jetzt einen schattenspendenden Baum vor der Türe hat. Aber dieser Baum und überhaupt die Pflanzen wollen auch Linderung. Der Mensch soll viel trinken, die Pflanzen wollen‘s auch.

Früh am Morgen den Garten wässern

An heißen Sommertagen den Garten regelmäßig wässern, am besten in den frühen Morgenstunden. Es muss so viel Wasser sein, dass es in den Boden tief genug eindringt. Nur die Blätter benetzen ist das Verkehrteste was man tun kann, die Blätter verbrennen und die Wurzeln bekommen nichts ab. Spätestens wenn die Blätter sich einrollen, braucht die Pflanze Wasser. Kübelpflanzen, die in der prallen Sonne stehen, freuen sich sogar zweimal täglich über Wasser. Aber nicht über Tag – im Sonnenglast – wässern.

Ansonsten will der Garten seine Ruhe haben, Heckeschneiden oder gar Rasenmähen sollte man lieber bleiben lassen. Da ist also Zeit für die Hängematte unterm Baum und für den Glanz und Glast der Sommertage, die durch das Blätterdach hindurchschimmern. Wer zu viel Sonne abbekommt, dem drohen Kollaps oder gar die Fee Morgane, jene Dame aus der Artussage, die eine mystische Insel bewohnte, also nur eine Fata Morgana war. Friedrich Rückert hatte vor rund 200 Jahren so eine Sommer-Illusion und träumte von der „Liebesinsel“:

Ich schaukelte durchs Meer auf schwankem Kahne,
Und macht‘ auf einem Blüteneiland Rast.
Da stand vor mir mit schimmerndem Altane
Gebaut aus Rosendüften ein Palast.
Die Sonne wehte drauf als goldne Fahne,
Mich blendete der zauberische Glast.
Doch an der Pforte stand die Fee Morgane
Und sprach mit Lächeln: Komm, du bist mein Gast.

(Stefan Quilitz)